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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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strengen Vaters von seinen Töchtern, eilte nach Sevilla und dachte voll Stolz an seine Vorfahren, welche alle Anführer der »Juden« gewesen waren.
    Bei einer Ziehung der Stadtlotterie fiel der Treffer von 10 000 Pesetas auf sein Los und er gab das ganze Geld für eine Uniform aus, die seinen Rang zum Ausdruck brachte. Die Frauen des Bezirkes liefen ihm nach und gafften ihn an, wenn er in seiner Rüstung und mit dem Helm, von dem ein weißer Federbusch herabhing, dastand, während der große, polierte Schild die Lichter der ganzen Prozession reflektierte. Unter dem Helm, der durch den weißen Federschmuck das dunkle Zigeunergesicht noch deutlicher hervortreten ließ, sah man den Backenbart, das Kennzeichen der Zigeuner. Das war nicht militärisch, sogar der Hauptmann gestand es offen ein, aber er mußte nach Paris zurück und war gezwungen, seinem Berufe Konzessionen zu machen.
    Der Chivo schaute rechts und links herum und gab dann seine Befehle, worauf die Schar der Soldaten langsam vorwärts rückte. In jeder Gasse fand man Schenken und in der offenen Tür zeigten sich fröhliche Zecher, welche durch Becherleeren den Leidensweg des Herrn und seinen Tod zu vergessen suchten. Sobald sie aber den stattlichen Krieger sahen, grüßten sie ihn und boten ihm einen guten Trunk aus ihrem Becher an. Der Hauptmann verbarg seine Verwirrung,wandte den Blick ab und reckte sich in seiner metallenen Rüstung höher auf. Ja, wenn er keinen Dienst hätte! Andere, welche dreister waren, liefen über die Straße und hielten ihm das Glas unter den Helm, um ihn so durch den Duft des Weines zu verlocken. Aber der unbestechliche Zenturio bog sich nach rückwärts und streckte ihnen die Spitze seines Schwertes entgegen. Er mußte seine Pflicht tun. Dieses Jahr durfte es nicht so hergehen wie in den vergangenen, wo die Kompagnie sich gleich nach ihrem Auszug aufgelöst hatte und auf ihren schwankenden Füßen kaum mehr Schritt halten konnte.
    Der Marsch durch die Straßen bedeutete für den Hauptmann einen wahren Leidensweg. Er spürte die Hitze unter seiner Rüstung und dachte schließlich, daß sich die Disziplin wegen eines einzigen Schluckes nicht lockern würde. Er nahm ein Glas an, dann ein zweites und bald lösten sich die Reihen auf, so daß man zahlreiche Nachzügler sah, welche bei jeder Schenke kürzeren oder längeren Aufenthalt nahmen.
    Die Prozession ging, wie es Brauch war, nur langsam durch die Straßen und hielt ganze Stunden vor den Stationen des Kreuzweges. Sie hatte keine Eile, es war Mitternacht und der Zug der Macarena kehrte erst nächsten Mittag heim.
    Zuerst kam der Wagen mit der Szene der Verurteilung Christi. Man sah da Pilatus, umgeben von zahlreichen Figuren, auf goldenem Throne sitzen, Soldaten und Troßknechte in buntfarbigen Kitteln und buschigen Helmen drängten sich um den Erlöser, welcher mit einer dunklen Samttunika bekleidet war und eine Aureole von drei vergoldeten Federnüber der Dornenkrone trug. Da diese Szene so viele Figuren hatte und mit Äußerlichkeiten überladen war, erregte sie weniger Aufmerksamkeit und wurde gleichsam durch das nachfolgende Bild verdrängt: Es war die Königin des gläubigen Volkes, die Virgen de la Esperanza, la Macarena.
    Wenn das Gnadenbild mit seinem lächelnden Antlitz und langen Augenwimpern die Kirche San Gil verließ, da begrüßte ein immer stärker werdendes Gemurmel der auf dem Platze versammelten Volksmenge die Gottesmutter. Wie schön war sie, ihr taten die Jahre nichts an.
    Der glänzende weite Mantel, der mit reicher Stickerei verbrämt war und die Maschen eines Netzes nachzeichnete, fiel wie der schillernde Schweif eines gigantischen Pfaues nach rückwärts über den Tragrahmen herab. Die gläsernen Augen der Statue erglänzten, als würden sie aus Rührung über die Zurufe der Gläubigen weinen. Dazu kam das Glitzern der Kleinodien, welche den Körper bedeckten und sozusagen einen goldenen, mit Edelsteinen besetzten Panzer über den Samt legten. Die Jungfrau schien in einem Regen von funkelnden Tropfen, die in allen Farben des Regenbogens schimmerten, zu stehen. Um den Hals wanden sich Perlenschnüre und Goldketten, an denen Dutzende von Ringen hingen, welche bei jeder Erschütterung ein magisches Glitzern sehen ließen. Die Tunika und der vordere Teil des Mantels waren mit Geschmeide bedeckt, unter denen Smaragde Brillantgehänge und Ringe mit großen Steinen das Auge blendeten. Alle Gläubigen liehen ihren Schmuck her, um ihn auf dem Bilde der

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