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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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und konnten nur gebückt essen oder trinken.
    Diese Defilierung einer schwerfälligen Prunkentfaltung dauerte die ganze Nacht hindurch. Doch umsonst sandten die Trompeten ihre klagenden Töne in die Luft und forderten das Mitleid über den ungerechten, rührenden Tod Gottes heraus. Die Natur blieb ungerührt. Der Fluß plätscherte leise unter den Brücken und breitete seine glänzenden Flächen zwischen den schweigenden Wiesen aus. Die Orangenblüten öffneten tausend weiße Kelche und versandten einen süßen Duft. Die Palmenbäume wiegten ihre Fächerkronen über den maurischen Zinnen des Alcazar, die Giralda stieg wie ein blaues Gespenst zum Himmel auf und verdeckte ihn durch ihre Konturen. Der Mond schien, trunken von diesen nächtlichenDüften, auf die Stadt herabzulächeln, deren Bewohner unter dem Vorwand, die Erinnerung an einen längst vergangenen Todestag zu begehen, endlose Feste veranstalteten.
    Jesus war tot: für ihn kleideten sich die Frauen in Schwarz und legten die Männer diese spitzzulaufenden Mäntel an, welche ihnen das Aussehen von seltsamen Insekten verliehen. Die Trompeten verkündeten diese Botschaft mit ihrem theatralischen Klageton, die Kirche tat es durch ihr finsteres Schweigen und ihre schwarzverhüllten Türen. Und der Fluß plätscherte leise weiter, als würde er einsame Paare einladen, sich an seinem Ufer niederzulassen. Die Palmen schaukelten ungerührt ihre breiten Wipfel und die Orangen hauchten ihren verführerischen Duft aus, als würden sie nur die Welt der Liebe, welche allein Leben und Freude betont, anerkennen. Der Mond blieb teilnahmslos, der Turm, welchem die Nacht einen bläulichen Schimmer verliehen hatte, verlor sich im Geheimnis der Dunkelheit und dachte mit dem einfältigen Sinn der unbelebten Wesen, daß die Ideen der Menschen sich mit den Jahrhunderten verändern, denn diejenigen, welche ihn aus dem Nichts geschaffen hatten, waren einem anderen Glauben ergeben.
    Die Menge drängte sich mit fröhlicher Neugier in die Sierpesstraße. Die Bilder der Macarena, welche jetzt eine kompakte Prozession bildeten, marschierten mit Musikanten vorbei. Doppelt laut rasselten die Trommeln, schmetterten die Trompeten und lärmte die unruhige Schar der »Macarenos«. Die Leute in den Sesseln standen auf, um den Zug besser zu sehen.
    Die Straße füllte sich plötzlich mit jungen Burschen,welche ihre Stöcke schwangen und der Jungfrau Hochrufe darbrachten. Ärmlich gekleidete Frauen gestikulierten mit ihren Armen, als sie sich plötzlich im Mittelpunkte Sevillas, der Sierpesstraße, sahen, durch welche sie sonst nur manchmal am Abend gingen. Ihr Schreien holte in dieser Nacht nach, was ihnen an anderen Tagen verwehrt war. Alle riefen, indem sie in die Kaffeehäuser und Klubs drangen: »Wir sind die Macarenos, Ruhm und Ehre der Jungfrau!« Einige Frauen zogen ihre Männer, die ihnen auf schwankenden Beinen und mit gesenktem Haupte folgten, hinter sich her. »Nach Hause!« ... Aber der schwankende Macareno sträubte sich mit seiner weinschweren Stimme: »Laß mich, Frau, ich will vorher noch ein Lied singen«. – Er hustete, hob die Hand zu seiner Kehle und begann, die Augen auf das Bild gerichtet, zu singen. Es schien, als ob eine Woge des Wahnsinns durch diese enge Straße geflutet wäre, als hätte sich dort eine Horde Betrunkener niedergelassen. Hundert Stimmen sangen gleichzeitig, jede in einer anderen Tonart und in einem anderen Rythmus. Bleiche, schweißbedeckte Burschen schleppten sich, auf die Schulter ihrer Kameraden gestützt, als gingen sie ihren letzten Gang, bis an das Traggestell des Bildes und fingen nun mit ersterbender Stimme ihr Preislied an.
    Beim Eingang der Sierpesstraße lagen zahlreiche Macarenos auf dem Bauche, als wären sie die Toten dieser ruhmreichen Expedition.
    Der Nacional betrachtete von der Tür eines Kaffeehauses mit seiner Familie den Zug der Brüderschaft. »Aberglaube und Rückständigkeit.« Doch auch er folgte der Gewohnheitund schaute sich alle Jahre den Zug der Macarenos an. Gallardo blieb ihm infolge seiner hohen Gestalt und der etwas theatralischen Art, mit der der Torero diese an die Inquisition gemahnende Kleidung trug, nicht lange verborgen.
    »Juan, die Leute sollen Halt machen, im Kaffeehaus sind fremde Damen, welche gerne das Bild der hl. Jungfrau sehen möchten.«
    Die Plattform, auf welcher das Bild thronte, blieb einen Augenblick unbeweglich stehen, dann begann die Musik einen lustigen Marsch zu spielen und zugleich fingen die

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