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Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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zu werden und sie so zu kränken? Heiliger Strohsack, welche Sprache hatte er überhaupt gesprochen? Terra-Standard? Unwahrscheinlich. Stadtdialekt? Er konnte sich nicht daran erinnern. Nur das Gefühl war geblieben, die Form der Worte war ihm entfallen.
    Was war in ihn gefahren? Er sah Ellers an, der jetzt völlig bewußtlos war. Vielleicht ist es besser, ich gehe jetzt gleich, solange ich mich noch bewegen kann, dachte er.
    Er schüttelte Ellers, aber der gab nicht einmal ein Murmeln von sich. Darkovaner-Getränke sind sehr stark, und Ellers hatte soviel getrunken wie Ragan und Kerwin zusammen. So machte er es in jedem Raumhafen. Kerwin zuckte die Achseln und hob Ellers’ Füße auf den Stuhl, auf dem er gesessen hatte; dann schritt er schwankend zur Tür der Weinstube.
    Luft. Frische Luft. Das tat gut. Am besten wäre es, gleich zum Hauptquartier zu gehen. In der terranischen Enklave wußte er wenigstens, wie er sich zu benehmen hatte.
    Wie ein trübes, boshaftes Auge stand die Sonne über der Straße. Indigofarbene und dunkelviolette Schatten hüllten die zusammengeduckten Häuser in gemütliches Dunkel. Jetzt waren auch einige Menschen auf der Straße – Darkovaner in ihren bunten, seidenen Hemden und Kniehosen, Frauen, die bis zu den Augenbrauen in Pelzen steckten, und dann und wann glitt eine hohe Gestalt vorbei, kaum zu erkennen, unter einem Kapuzenmantel aus grauschimmernden, metallischen Ringen; aber das waren keine menschlichen Gestalten.
    Kerwin blieb stehen und schaute zum flammenden Himmel hinauf; rasch verschwand die Sonne, und dann huschte mit einemmal die Dunkelheit über den Himmel wie riesige, weiche Schwingen, die den Glanz auslöschten. Die Nacht war da, die dieser Welt den Namen gegeben hatte. Plötzlich flammte eine Krone weißglänzender, riesiger Sterne auf, und die zwei kleineren Monde glühten wie asymmetrisch gesetzte, tiefrote Rubine im Diadem der Sterne.
    Kerwin stand auf der Straße, schaute und schaute, und seine Augen wurden feucht. Er schämte sich dieser Tränen nicht. Es war also doch nicht nur Einbildung gewesen. Er war zu Hause. Er hatte die Dunkelheit über dem roten Himmel gesehen, das Aufflammen der Krone. Er stand immer noch, als die plötzlich einbrechende nächtliche Kühle ihn frösteln ließ und der dichte Nebel einen Schleier vor die strahlenden Sterne zog. Langsam ging er weiter. Das riesige Leuchtfeuer des terranischen Hauptquartiers wies ihm den Weg, dem er fast widerstrebend folgte.
    Er dachte an das Darkovaner-Mädchen, das er auf so eigenartige, ihn selbst überraschende Weise abgewiesen hatte. Sie war warm und schmiegsam gewesen, und was konnte ein Mann mehr wünschen als Willkommgruß der Heimat?
    Eine seltsame Ruhelosigkeit überkam ihn, er fühlte sich verloren. Zu Hause? Zu einem Heim gehörten Menschen. Auf der Erde war er nicht zu Hause gewesen; seine Großeltern hatten ihn nicht gewollt, er war nur ein magerer Ersatz gewesen für seinen Vater. Und im Weltraum? Ellers war wohl sein bester Freund, doch was war Ellers? Ein Raumhafengammler. Ein Planetenhüpfer. Kerwin hungerte plötzlich danach, endlich Wurzeln zu schlagen, eine Familie zu haben, endlich das zu bekommen, was er niemals kennengelernt hatte. Die ironischen Worte, die er zu Ellers gesagt hatte, fielen ihm wieder ein und ergriffen von ihm Besitz: Ich hoffte, ich sei der Sohn …
    Ja, das war der Traum, der ihn nach Darkover zurückgelockt hatte, diese phantastische Erwartung, den Ort zu finden, an dem er zu Hause war. Weshalb hätte er auch sonst die letzte Welt – Wolf – verlassen sollen? Dort gab es Arbeit, Frauen und rauhbeinige Kameradschaft, soviel er nur wollte; aber immer hatte ihn ein innerer, nagender Zwang getrieben, endlich nach Hause zurückzukehren, nach Darkover.
    Nun war er zu Hause; er hatte die Sterne und die rasch einfallende Dunkelheit aus seinen Träumen gesehen. Sollte alles andere nun eine einzige Enttäuschung sein? Würde er zu hören bekommen, daß seine Mutter nur eines der üblichen Raumhafenmädchen gewesen war, ähnlich jenem, das sich heute abend an ihn gedrängt hatte? Sein Vater – schön, Ragan hatte festgestellt, daß seine Sorge für ihn wenigstens soweit gegangen war, ihm die terranische Staatsbürgerschaft zu sichern.
    Er würde den Spuren des Geheimnisses folgen. Er würde seine Mutter aufspüren und herausbekommen, weshalb sein Vater ihn verlassen hatte, wie und wo er gestorben war. Und dann…
    Der Nachtnebel war nun dichter geworden, und ein dünner

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