Die Blutige Sonne - 14
einen Rotkopf von seiner Größe, und das täuschte die Leute, wenn sie nicht genau hinsahen.
Er erinnerte sich des Wortes, das der Krakeeler gesagt hatte: „Com’yn“. Hieß so vielleicht sein Doppelgänger? Leise wiederholte er: Com’yn. Ihm schien, als klopfe er an ein versiegeltes Tor in seinem Gedächtnis…
„Du kommst früh, com’ii“, hörte er hinter sich eine Mädchenstimme; er wandte sich um.
Zuerst dachte er, sie sei ein Mädchen von der Erde, denn rotgoldenes Haar türmte sich auf einem schmalen Kopf. Sie war schlank und zierlich, trug einen offenen Mantel und darunter ein einfaches Kleid, das die Linien von Brust und Hüften genau nachzeichnete. Es war eine todeswürdige Beleidigung, in der Öffentlichkeit ein DarkovanerMädchen anzustarren, besonders dann, wenn Verwandte anwesend waren, die diese Beleidigung rächen konnten, aber sie gab seinen Blick offen und lächelnd zurück. Deshalb war Kerwin überzeugt, daß sie von der Erde stammen müsse.
„Wie bist du denn hierhergekommen?“ fragte sie. „Wir hatten doch ausgemacht, miteinander zu kommen.“
Kerwin fühlte, wie seine Wangen heiß wurden, aber das kam nicht von der Wärme des Feuers. „Es tut mir leid“, entschuldigte er sich, „ich wußte nicht, daß dies hier ein Privatraum ist. Man hat mich hierhergeschickt – wahrscheinlich ein Irrtum, aber ich werde sofort gehen.“
Sie sah ihn an, und ihr Lächeln verschwand. „Was denkst du dir eigentlich? Wir haben so viele Dinge zu besprechen…“ Sie unterbrach sich einen Augenblick und fuhr dann fort: „Aber du – habe ich einen Fehler gemacht?“
„Irgend jemand hat einen gemacht“, antwortete Kerwin, und seine Worte kamen langsam und nachdenklich. Sie sprach weder Terra-Standard, noch den Dialekt der Handelsstadt; diese Sprache hatte er noch nie vorher gehört, und doch verstand er sie; vom ersten Augenblick an war sie ihm so vertraut erschienen, daß er gar nicht bemerkte, daß es eine fremde Sprache war.
Erstaunt öffnete sie den Mund. „Aldones! Wer bist du eigentlich?“ fragte sie.
Er wollte gerade seinen Namen nennen, da überlief ihn wieder heiß jene Welle von Ärger, die er einen Augenblick lang zurückgehalten hatte, weil er mit einem schönen Mädchen sprach. Das passierte ihm nun zum zweitenmal an diesem Abend. Sein Doppelgänger mußte schon ein ganz besonderer Bursche sein!
„Kennst du mich noch nicht?“ fragte Kerwin. „Ich bin dein großer Bruder Bill, das schwarze Schaf der Familie. Ich bin mit sechs Monaten davongelaufen, um auf Raumfahrt zu gehen, und seitdem haben mich Piraten gefangengehalten. In der nächsten Fortsetzung kommt’s heraus.“
Verständnislos schüttelte sie den Kopf, und er überlegte, daß sie die Ironie seiner Worte wohl nicht begriff. „Aber gehörst du denn nicht zu uns?“ fragte sie in jener Sprache, die er verstand, wenn er nicht versuchte, sich darauf zu konzentrieren. „Von der verborgenen Stadt vielleicht? Wer bist du?“
Kerwin wurde ungeduldig und sah finster drein, zu verärgert, als daß er dieses Spiel fortsetzen wollte. Er wünschte, der Mann, mit dem sie ihn verwechselt hatte, möge kommen, damit er ihm ins Gesicht schlagen konnte.
„Mädchen, du verwechselst mich mit einem anderen. Ich weiß überhaupt nichts von eurer verborgenen Stadt; wahrscheinlich ist sie ein bißchen zu verborgen oder zu weit weg. Auf welchem Planeten liegt sie denn? Du bist doch keine Darkovanerin, oder?“
Wenn sie zuerst überrascht dreingeschaut hatte, dann schien sie jetzt vom Donner gerührt zu sein. „Und doch verstehst du mich! Hör mal“, begann sie wieder, jetzt in der Sprache des Raumhafens, „ich glaube, wir müssen uns darüber Klarheit verschaffen. Das ist doch eigenartig! Wo können wir miteinander sprechen?“
„Jetzt gleich, hier“, antwortete Kerwin, „wie bisher. Vielleicht bin ich ein Fremder für Darkover, aber so fremd auch wieder nicht. Ich kenne die Gesetze von Darkover ziemlich gut, und ich bin auf keinen Fall so verrückt, mich in den ersten vierundzwanzig Stunden hier einem Mordversuch auszusetzen, falls du ein paar Ekel unter deinen Verwandten hast. Das heißt, wenn du Darkovanerin bist.“
Das kleine Koboldgesicht verzog sich zu einem überraschten Lächeln. „Kaum zu glauben. Du weißt also wirklich nicht, wer ich bin. Aber darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen.“
„Ich bin aber von der Sorte, die sich Gedanken macht“, meinte Kerwin trocken. „Nur zum Spaß – sag mir
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