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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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ungleichmäßige Schritte, und Kennard stand hinter ihm im Eingang.
    »Jeff, was ist los?«
    Gerade jetzt wollte er sich diesem zerklüfteten, wissenden Gesicht nicht zuwenden. Er ging weiter in sein Zimmer hinein und murmelte: »Ich bin immer noch müde … sollte lieber ins Bett gehen und schlafen.«
    Kennard kam ihm nach. Er legte die Hände auf die Schultern des jüngeren Mannes und drehte ihn mit überraschender Kraft zu sich um. »Sie mal, Jeff, du kannst es doch nicht vor uns verbergen. Wenn du darüber sprechen möchtest …«
    »Verdammt noch mal!« Jeffs Stimme brach. »Gibt es an diesem Ort überhaupt kein Privatleben?«
    Kennard ließ die Schultern hängen und seufzte. »Mein Bein tut höllisch weh. Darf ich mich hinsetzen?«
    Das konnte Kerwin ihm nicht abschlagen. Kennard ließ sich in einen Sessel fallen. Er sagte: »Hör zu, mein Sohn. Bei uns ist es so, daß man den Dingen ins Angesicht sehen muß. Man kann sie nicht verstecken und schwären lassen. Im Guten und im Schlechten bist du Mitglied unseres Kreises …«
    Jeffs Lippen wurden schmal. »Halte dich da heraus. Das ist eine Sache zwischen Taniquel und mir, sonst geht es niemanden etwas an.«
    »Das stimmt nicht«, widersprach Kennard. »Es ist eine Sache zwischen dir und Auster. Denke daran, alles, was in Arilinn geschieht, hat Wirkung auf jeden von uns. Tani ist Empathin. Kannst du nicht verstehen, was sie empfindet, wenn sie diese Art von Not, von Hunger und Einsamkeit spürt, wenn sie das teilen muß? Du hast es in sämtliche Richtungen gesendet; wir haben es alle empfangen. Aber Tani ist Empathin und verwundbar. Und sie reagierte auf diese Not, weil sie eine Frau und freundlich und Empathin ist, und sie konnte dein Unglücklichsein nicht ertragen. Sie schenkte dir, was du am meisten brauchtest, und was für sie die natürlichste Art zu geben war.«
    Kerwin murmelte: »Sie hat gesagt, sie liebe mich. Und ich habe ihr geglaubt.«
    Kennard streckte die Hand aus, und Kerwin spürte sein Mitgefühl. »Zandrus Hölle, Jeff – Worte, Worte, Worte! Und die Art, wie die Leute sie benutzen und was sie damit meinen!« Es klang beinahe wie eine Verwünschung. Kennard berührte leicht Jeffs Handgelenk mit dieser Geste, die unter Telepathen mehr bedeutete als ein Händedruck oder eine Umarmung. Er sagte freundlich: »Sie liebt dich, Jeff. Wir alle lieben dich, jeder einzelne von uns. Du bist einer von uns. Aber Tani … ist, was sie ist. Verstehst du nicht, was das bedeutet? Und Auster … versuche dir vorzustellen, wie es ist, eine Frau und Empathin zu sein und die Verzweiflung und Not zu empfangen, die Auster heute abend ausstrahlte! Wie kann sie das wahrnehmen und … und nicht darauf reagieren? Verdammt!« stieß er in Verzweiflung hervor. »Wenn du und Auster euch verstündet, wenn du Empathie mit ihm hättest, würdest auch du seinen Schmerz fühlen und verstehen, welche Wirkung er auf Taniquel hatte!«
    Gegen seinen Willen begann Jeff zu begreifen. In einem eng verbundenen Kreis von Telepathen quälten Emotionen, Wünsche, Sehnsüchte nicht nur den einen, in dem sie entstanden waren, sondern alle in seiner Umgebung. Er selbst hatte sie alle mit seiner Einsamkeit und seiner Sehnsucht akzeptiert zu werden, aus der Ruhe gebracht, und Taniquel hatte darauf ebenso natürlich reagiert wie eine Mutter, die ein schreiendes Kind tröstet. Jetzt aber, wo Jeff glücklich war und triumphierte, war es Austers Schmerz, den sie zu stillen wünschte …
    Menschliches Fleisch und Blut konnten das nicht ertragen, dachte er wild. Taniquel, die er liebte, Taniquel, die erste Frau, die ihm etwas bedeutet hatte, Taniquel in den Armen eines Mannes, den er haßte … Er schloß die Augen und versuchte, den Gedanken und den damit verbundenen Schmerz zu verbannen.
    Kennard sah ihn an, und zu seinem Mißbehagen erkannte Kerwin Mitleid in seinem Gesicht.
    »Es muß sehr schwierig für dich sein. Du hast soviel Zeit unter den Terranern verbracht, du hast ihre neurotischen Moralbegriffe übernommen. Die Gesetze des Turms sind nicht die gleichen wie die Gesetze der Domänen; unter Telepathen kann es nicht anders sein. Die Ehe ist eine ziemlich junge Institution auf Darkover. Was du Monogamie nennst, ist noch jünger. Und es hat sich nie richtig durchgesetzt. Ich mache dir keinen Vorwurf, Jeff. Du bist, was du bist, ebenso wie Tani ist, was sie ist. Ich wünschte nur, du wärst nicht so unglücklich darüber.« Müde arbeitete er sich aus seinem Sessel hoch und ging davon, und

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