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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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weiß, was du empfindest, aber …«
    »Du weißt, was ich empfinde? Du wagst mir das zu sagen, du, die du in seinen Armen gelegen und seine Liebe kennengelernt hast? O nein, du hast dir nichts versagt, aber du bist schnell dabei, mir zu sagen, was ich tun muß …«
    »Lori«, Kennards Stimme war liebevoll. »Du weißt nicht, was du sagst. Ich bitte dich, erinnere dich, wer du bist …«
    »Ich weiß, wer ich sein soll!« schrie sie außer sich. »Eine Bewahrerin, eine Leronis , eine sakrosankte Jungfrau ohne Geist oder Herz oder Seele oder eigenes Leben, eine Maschine für die Relais …«
    Kennard schloß vor Qual die Augen, und Kerwin, der des alten Mannes Gesicht sah, meinte Worte wie diese zu hören, die vor Jahren gesprochen worden waren. Widergespiegelt in Kennards Gedanken und Erinnerungen sah er das Gesicht seiner Mutter.
    Cleindori. Oh, meine arme Schwester! Doch laut sagte Kennard nur sehr behutsam: »Lori, mein Liebling. Alles, was du erleidest, haben andere vor dir erlitten. Als du nach Arilinn kamst, wußtest du, es würde nicht leicht sein. Wir können dir nicht erlauben, uns zu verlassen, nicht jetzt. Eine neue Bewahrerin wird ausgebildet, und wenn sie dein Amt übernehmen kann, bist du frei. Aber nicht jetzt, Chiya , denn dann wirfst du alles weg, was wir errungen haben.«
    »Ich kann nicht! Ich kann nicht so leben!« rief Elorie. »Jetzt nicht mehr, wo ich endlich erfahren habe, was es ist, dem zu entsagen ich geschworen habe!«
    »Lori, mein Kind …« begann Neyrissa weich, aber Elorie ging wie eine Furie auf sie los. »Du hast gelebt, wie es dir gefiel, du hast im Turm Freiheit statt Sklaverei gefunden! Für dich war der Turm ein Zufluchtsort, für mich ist er nie etwas anderes gewesen als ein Gefängnis! Du und Tani, ihr macht es euch leicht, von mir zu verlangen, das für immer aufzugeben, was euch selbstverständlich war, Liebe und geteilte Freude und Kinder …« Ihre Stimme brach. »Ich wußte es nicht, ich wußte es nicht, und jetzt …« Wieder warf sie sich in Jeffs Arme. Er konnte sie nicht von sich stoßen.
    Auster starrte Elorie entsetzt an und sagte mit leiser Stimme: »Das ist schlimmerer Verrat, als die Terraner ihn je begehen könnten. Und wenn ich daran denke, Jeff, daß ich geglaubt habe, du hättest das unschuldig getan!«
    Rannirl schüttelte den Kopf. Seine Stimme klirrte wie Eis. »Ich habe dir mein Messer gegeben. Ich habe dich Bruder genannt. Und du hast uns dies angetan, du hast es ihr angetan!« Er spuckte aus. »Es gab eine Zeit, als ein Mann, der eine Bewahrerin verführte, mit Haken zerrissen wurde, und die Bewahrerin, die ihren Eid brach …« Er konnte nicht fortfahren. Er war zu zornig. »Und so wiederholt sich die Geschichte – Cleindori und dieser Dreck von einem Terraner!«
    »Du hast es selbst gesagt!« rief Elorie in ihrer Pein. »Du hast gesagt, jeder Mechaniker könne die Arbeit einer Bewahrerin tun, eine Bewahrerin sei ein Anachronismus. Cleindori habe recht gehabt!«
    »Was ich glaube und was wir in Arilinn tun können, sind zwei verschiedene Dinge«, fuhr er sie verächtlich an. »Ich hätte dich nicht für eine solche Närrin gehalten! Auch hätte ich dich nicht für so schwach gehalten, daß du diesem hübschen Terraner, der uns alle mit seiner charmanten Art hereingelegt hat, wie eine Hure nachläufst! Ja, auch ich habe mich von ihm bezaubern lassen – und er hat das ausgenutzt, verdammt soll er sein, er hat es ausgenutzt, um den Turm zu zerbrechen!« Rannirl fluchte und drehte ihnen den Rücken zu.
    »Dreckige Hure«, sagte Neyrissa und hob die Hand, um Elorie zu schlagen. »Nicht besser als dieser dreckige alte Mann, unser Vater, dessen Schweinereien …«
    Kennard fing Neyrissas Hand mitten in der Luft ab. »Was? Du willst Hand an unsere Bewahrerin legen?«
    »Das hat sie verwirkt!« Neyrissa zog verächtlich die Oberlippe hoch.
    Auster erklärte mit finsterem Blick: »In einer früheren Zeit hätte das den Tod für dich bedeutet, Elorie – und den Tod durch Folter für ihn .«
    Voller Entsetzen wurde Kerwin klar, in welchem Irrtum sie alle befangen waren. Elorie klammerte sich an ihn und versteckte ihr Gesicht an seiner Brust. Er trat schnell vor, um die Verleumdung zurückzuweisen, um Elories Unschuld darzulegen. Die Worte waren bereits auf seinen Lippen: Ich schwöre, daß sie mir heilig gewesen ist, daß ihre Keuschheit unberührt ist …
    Aber Elorie warf herausfordernd den Kopf zurück. »Nenn mich, was du willst, Neyrissa. Das gilt für

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