Die blutige Sonne
Niederlage zu sein. Taniquel hielt seine Hand, doch sein Geist spürte Neyrissas Berührung, die ihn überwachte.
»Er ist nüchtern genug«, entschied sie.
Er sah von einem zum anderen. Taniquels feste kleine Hände drückten seine, Corus sah betrübt und den Tränen nahe aus, Rannirl war freundschaftlich besorgt, Kennard traurig und sorgenvoll, Auster grimmig distanziert.
Elories Gesicht war eine weiße Maske, die Augen rot und verschwollen. Elorie in Tränen!
Kerwin ließ Taniquels Hand sachte los. »O Gott, warum muß ich das alles noch einmal durchmachen? Hat Auster es euch nicht erzählt?«
»Er hat uns eine Menge erzählt«, antwortete Kennard, »und alles war in seinen eigenen Ängsten und Vorurteilen verwurzelt.«
»Das leugne ich ja gar nicht«, erklärte Auster. »Ich frage nur, ob die Ängste und Vorurteile nicht gerechtfertigt waren. Dieser Spion – welchen Namen nannte Jeff uns? Ragan. Er ist noch einer von ihnen. Es ist ganz offensichtlich – verdammt, ich habe den Mann erkannt! Ich könnte schwören, er ist ein Nedestro der Comyn , vielleicht Ardais oder sogar Aldaran! Mit terranischem Blut. Gerade der richtige, bei uns den Spion zu machen. Und Jeff … er konnte sogar durch den Schleier kommen! Und Kennard bei der telepathischen Prüfung zum Narren halten!«
Rannirl sagte zornig: »Ich glaube, du siehst terranische Spione unter jedem Kissen, Auster!«
Von neuem faßte Taniquel nach Kerwins Hand. »Wir können dich nicht gehen lassen, Jeff. Du bist einer von uns, du bist Teil unseres Kreises. Wohin willst du gehen? Was willst du tun?«
Kennard fiel ein: »Warte, Tani. Jeff, es war ein kalkuliertes Risiko, dich nach Arilinn zu bringen. Das wußten wir, bevor wir dich durch die Matrix riefen, und wir alle stimmten dem Risiko zu. Und es war mehr als das. Wir wollten einen Schlag gegen dunkle Magie und Tabus führen, einen ersten Schritt zu dem Ziel unternehmen, aus der Matrix-Mechanik eine Wissenschaft statt Zauberei zu machen. Wir wollten beweisen, daß sie von jedem erlernt werden kann, nicht nur von einer sakrosankten Priesterschaft!«
»Ich weiß nicht, ob ich hierin ganz mit Kennard übereinstimme«, erklärte Neyrissa. »Ich möchte nicht, daß auf Arilinn ein Schatten des Verbotenen Turms mit seinen schmutzigen Methoden und seinen meineidigen Bewahrerinnen fällt. Aber wir haben Arilinn wieder in die Höhe gebracht, und, Jeff, Tani hat recht, du bist einer von uns. Wir waren alle dafür, das Risiko einzugehen.«
»Aber versteht ihr denn nicht?« Kerwins Stimme brach. »Ich bin nicht bereit, das Risiko einzugehen. Nicht, wenn ich nicht bestimmt weiß, daß ich – daß ich mein eigener Herr und kein eingeschmuggelter Spion bin. Ich weiß doch gar nicht, was sie mich tun lassen können! Sie könnten mich zum Werkzeug machen, euch zu vernichten.«
»Vielleicht solltest du uns auf diese Art vernichten.« Corus’ Stimme klang bitter. »Wir sollten lernen, dir zu vertrauen – und dann, wenn wir nicht mehr ohne dich arbeiten konnten, solltest du uns verlassen.«
»Das ist eine verdammt ungerechte Auslegung, Corus«, stieß Jeff heiser hervor. »Ich versuche, euch zu retten. Ich will nicht derjenige sein, der euch vernichtet!«
Taniquel neigte den Kopf und legte ihre Wange auf seine Hand. Sie weinte lautlos. Austers Gesicht war hart. »Kerwin hat recht, Kennard, das weißt du selbst. Jedenfalls hat er Mut genug, das Richtige zu tun. Und du tust uns allen nur weh, wenn du das in die Länge ziehst.«
Kennard stützte sich schwer auf seinen Stock und blickte verächtlich auf sie alle hinab. Er biß sich auf die Lippe, um seinen Zorn in Schach zu halten.
»Feiglinge seid ihr! Jetzt, wo wir eine Chance haben, gegen diesen verdammten Unsinn anzukämpfen! Rannirl, du weißt, was richtig ist! Du hast selbst gesagt …«
Rannirl biß die Zähne zusammen. »Meine private Überzeugung und der Wille des Rats sind zwei verschiedene Dinge. Ich weigere mich, eine politische Aussage über meine Laufbahn in Arilinn zu machen. Ich bin Techniker, kein Diplomat. Jeff ist mein Freund. Ich habe ihm mein Messer gegeben. Ich nenne ihn Bruder und werde ihn gegen seine Feinde verteidigen. Er braucht nicht zu den Terranern zurückzugehen. – Jeff –« wandte er sich an den Mann auf dem Bett. »Wenn du Arilinn verläßt, brauchst du nicht zu den Terranern zurückkehren. Geh zu meiner Familie in den Kilghardbergen. Frage irgendwen, wo du den Mirion-Seen findest. Erzähle irgendwem, daß du mein geschworener
Weitere Kostenlose Bücher