Die Blutnacht: Roman (German Edition)
wenn jemand eine solche Vermutung geäußert hätte, den auf der Stelle totgeschlagen. Flore eilte zu Carlas Verteidigung.
»Schäm dich, Pascale. Er liebt sie wie ein Ritter, wie ein Adler den Wind liebt. Eine Frau, die so geliebt wird, würde niemals untreu werden.«
»Carla ist zur königlichen Hochzeit eingeladen worden. Sie erwartet unser Kind.«
Das warf so viele Fragen auf, dass Pascale verstummte.
»Sagt mir, wie könnte ich herausfinden, wo ein bestimmter Student wohnt?«
»Ist es ein guter Student?«, fragte Flore.
»Das will ich ihm geraten haben.«
»Dann könntet Ihr bei seinem Dozenten im Collège nachfragen. Euer Student wohnt vielleicht sogar bei ihm. Das ist nicht ungewöhnlich, wenn er wirklich wissbegierig ist.«
»Ein hervorragender Ratschlag. Und wo kann ich ein Zimmer mieten, in dem meine Habseligkeiten einige Stunden lang vor Dieben sicher sind? Ich habe wichtige Angelegenheiten im Louvre zu erledigen, und ihr seht, dass ich zu schwer beladen bin.«
Bei der Erwähnung des Louvre weiteten sich Pascales Augen noch mehr. Wieder sprach Flore.
»Alle Zimmer in der Stadt sind belegt mit Besuchern, die zur Hochzeit hergekommen sind. Tausende sind erschienen, und wiederum Tausende mit ihnen, die hoffen, aus den anderen ihren Gewinn zu schlagen. Und ein Gasthaus, das vor Dieben sicher ist, selbst in den besten Zeiten …«
Tannhäuser runzelte ärgerlich die Stirn. Er verfluchte diese Hochzeit.
»Wir können Eure Sachen sicher aufbewahren«, sagte da Pascale.
»Pascale«, tadelte Flore.
»Natürlich können wir das. Ihr traut uns doch, nicht wahr?«
Seltsamerweise tat er das wirklich.
»Ich hoffe, dass ich darauf bestehen darf, euch für eine solch gute Tat etwas zu bezahlen.«
»Ihr dürft«, sagte Pascale.
»Wo würdet ihr meine Sachen lagern?«
»Bei uns zu Hause. Niemand würde sie je finden, und es ist nicht weit weg.«
»Es ist nichts von großem Wert dabei. Außer einem zusätzlichen Hemd. Und einem Pfund persischem Opium. Und den Schusswaffen. Die sind das Problem.«
»Die Schusswaffen?«, fragte Flore.
»Ich bezweifle, dass man mich mit einem Gewehr und zwei Pistolen durch den Louvre spazieren lässt. Mit der Erlaubnis eures Vaters würde ich also euer Angebot für einen sehr großen Segen halten.«
Vor dem Roten Ochsen standen vier Eimer Wasser nebeneinander, von einem Gassenjungen bewacht. Anscheinend wurden in Paris sogar Eimer gestohlen. Pascale gab dem Jungen zwei Handvoll Überreste von den Hühnern, die der für eine mehr als angemessene Bezahlung hielt. Pascale und Flore hievten je zwei Eimer in die Höhe und machten sich auf den Weg.
Sie bogen um eine Ecke und trafen auf eine Prügelei auf der Straße. Vier junge Männer traten und schlugen einen fünften, der zusammengesunken und blutüberströmt an einer Mauer lehnte. Eine johlende Menge feuerte die Angreifer an. Tannhäuser schlug einen Weg ein, der sie im großen Bogen um die Menge führen würde. Er schob die Mädchen mit ihren Eimern vor sich her über die Straße.
Der Geprügelte schrie, und alle Würde war aus seiner Stimme verschwunden.
Sein Flehen trieb die anderen nur zu größerer Gewalt an. Es war seltsam, dass jemand, der um Gnade winselte, die Arbeit seiner Peiniger nur leichter zu machen schien. Tannhäuser war angewidert, vom Opfer genauso wie von den Grobianen.
»Könnt Ihr sie nicht aufhalten?«, fragte Pascale.
Die Streithähne kümmerten ihn überhaupt nicht. Die Menschenmenge dagegen schon.
»Er ist nicht mein Freund.«
Ein Krachen war zu hören, als ein Stiefel den Schädel des Opfers an die Wand schmetterte. Der Mann rutschte auf die Pflastersteine, wo das Stampfen und die Tritte unvermindert weitergingen. Inzwischen hatten die Angreifer einander wie Trunkene bei den Armen gepackt, um das Gleichgewicht zu halten, und führten einen makabren Tanz auf.
Pascale schrie: »Lasst ihn in Ruhe, ihr Schweine!«
Köpfe wandten sich zu ihr um, und obszöne Bemerkungen flogen zurück.
Tannhäuser drängte die Schwestern vorwärts, so dass das Wasser aus ihren Eimern über seine Füße schwappte. Er spürte, dass Grégoireihnen auf den Fersen folgte. Sie ließen die Schlägerei hinter sich, erreichten eine Straßenkreuzung und bogen nach rechts ab. Tannhäuser war erleichtert. Beide Schwestern hatten bleiche Gesichter, Pascale eher aus Wut als aus Furcht. Sie setzten ihre Eimer ab, um zu verschnaufen.
»Wo ist das Hugenottenviertel?«, fragte Tannhäuser.
»Es gibt kein Hugenottenviertel«,
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