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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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als die Strömung ihm erlauben würde.
    Das rechte Flussufer sauste durch sein Gesichtsfeld. Eine Menge festgemachter Boote am Strand. Die Kirche von Saint Germaine L’Auxerrois. Der Platz, wo er Juste ausgeschimpft hatte. Die kegelförmigen Türme des Louvre. Er war auf Kurs, um mit der Breitseite gegen die Sperre zu prallen, und das Feuer am Bug zeigte in die falsche Richtung, zum linken Flussufer, nicht zum rechten. Er würde die Schiffsbarriere auf halber Länge brechen müssen, und zwar ohne irgendeinen Schutz gegen einen Angriff vom Kai aus. Nur er selbst konnte sich noch schützen.
    Er verneigte sich respektvoll vor der launischen Fortuna und ging vom Ruder weg.
    Er nahm eine Faust voll Pfeile aus dem Köcher, der auf den Säcken lag. Er schaute zur Schiffsbarriere, als er den Bogen des Sergents aufnahm und den Pfeil einlegte. Das Heck würde etwa vier Boote vom Strand entfernt auf die Sperre prallen; wenn er Glück hatte, fünf Boote vom Ufer weg. Es waren alles Leichter, etwa fünfundzwanzig Fuß lang, dazwischen ein, zwei Fuß gespannte Kette. Er zielte auf den Kai, der ins Wasser hinausragte und wo sechs Musketenschützen an der Kante standen. Es war derselbe Kai, von dem aus vor nicht zwanzig Stunden andere Männer auf Flüchtlinge geschossen hatten. Sie rammten alle mit großer Wut die Stopfstäbe in den Lauf.
    Tannhäuser spannte den Bogen und schoss auf den am weitesten rechts stehenden Musketenschützen.
    Er legte einen neuen Pfeil ein und schoss auf den am weitesten links Stehenden.
    Beide waren in die Eingeweide getroffen, die Pfeile bis zu den Federn eingedrungen.
    Als der zweite fiel, wurde den beiden mittleren klar, dass sie niemals wieder eine Zündpfanne laden würden. Sie flohen, und Tannhäuser schoss einem von ihnen in den Rücken. Er legte einen weiteren Pfeil ein, während der andere verschwand. Ein fünfter beschleunigte seine Flucht, indem er noch sein Gewehr wegwarf. Tannhäuser schoss ihm einen Pfeil in den Rücken, legte einen weiteren ein und erlegte den letzten, als er sich noch umwandte, um seinen Kameraden zu folgen. Der Pfeil durchbohrte ihm beide Oberschenkel, nagelte sie zusammen, und mit einem Aufschrei, der die gefallenen Engel aufwecken musste, die seine Seele erwarteten, stolperte der Mann und fiel in sein nasses Grab.
    Tannhäuser legte einen Pfeil ein. Zwischen diesem und dem nächsten Kai führte eine breite Treppe zum Ufer herunter. Oben sah Tannhäuser Fackeln und Miliztruppen, eine hoch erhobene bunte Fahne, rote und weiße Bänder an den Armen. Ein jämmerlicher Pilgerzug, seiner Meinung nach. Er sandte einen Pfeil in ihre Mitte, um ihnen diese Meinung mitzuteilen. Sofort machte sich allgemeine Verwirrung breit.
    Das Heck schwenkte weiter langsam nach Steuerbord.
    Auf dem zweiten Kai hatte sich eine Horde gaffender Pilger versammelt, deren besondere Neugier dem verkohlten Gipser galt. Tannhäuser schoss einen von ihnen ins Gesicht, damit sie etwas anderes zu bereden hatten. Noch sechs Pfeile im Köcher; er hängte ihn sich um. Ein Dutzend Pfeile für Altans Bogen. Weniger, als er gern gehabt hätte. Er schaute über die Redoute.
    Die Schiffsbarriere schien verlassen. Hunderte von Leichen schaukelten im Wasser vor den Schiffen. Als wäre die Barriere eigens dafür geschaffen worden, sammelten sich die Massakrierten im Schaum vor der Mitte der Sperre. Das Boot, das dem Land am nächsten lag, war an das äußere Ende eines Holzstegs gebunden. Die Strömung schien doppelt so schnell geworden zu sein. Noch dreißig Sekunden bis zum Aufprall des Kahns.
    Tannhäuser beugte sich zu der Partisane hinunter, sah die zusammengerollte Plane und packte sie. Er warf die Stakstange längs über die Säcke, kletterte auf die Holzkohle und machte drei Schritte, ehedie Gluthitze ihn aufhielt. Er rollte die geteerte Plane so auf, dass sie über das oberste Drittel der Stange und den Rand des glühendroten Schimmers fiel, der von dem Feuer ausging. Er wandte sich ab und watete zurück, als die Plane in Flammen aufging.
    Dann sprang er von den Säcken herunter und hob die Stange hoch in die Luft.
    Die brennende Plane loderte brüllend über seinem Kopf, und ein Schauer von geschmolzenem Teer regnete auf ihn herunter. Einen Augenblick lang tanzten Dutzende kleiner Flammen auf seinen Armen und seiner Brust. Sie erloschen auf dem verkrusteten Blut, ehe er Schmerz empfinden konnte. Tannhäuser schleuderte die lodernde Plane über das Heck und in das dritte Boot der Barriere, als er daran

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