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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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mit so blinder Panik, dass er sich den größten Teil des Weins über die Soutane schüttete. Er sprang auf und schlug entsetzt die Hand vor die Brust.
    »Verzeiht mein Eindringen, aber wenn Ihr der Curé seid, muss ich Euch um einen heiligen und dringenden Dienst bitten.«
    An der Wand hinter dem Priester hing das Porträt eines Mannes im scharlachroten Ornat eines Kardinals, der auf einem vergoldeten Stuhl saß, neben dem ein Ministrant stand. Der Künstler hatte sich zwar redliche Mühe gegeben, dem Porträtierten zu schmeicheln, doch die Züge des Kardinals erinnerten an die einer alternden Puffmutter in einem Hafenbordell. Obwohl es nicht offensichtlich war, deutete doch das Arrangement des Bildes an, dass der Kardinal dem Jungen den Hintern tätschelte, und der Gesichtsausdruck des Messdieners bestärkte diese Vermutung noch. Mit einem Blick zum Priester bemerkte Tannhäuser, dass der sowohl dem Kardinal als auch dem Jungen ähnelte, als wäre der eine zum anderen herangewachsen.
    Der Priester nahm die Brille ab und musterte die frischen Blutflecke auf dem Malteserkreuz. Er schloss wohl daraus, dass dieser Grobian ihn wahrscheinlich nicht umbringen würde, wischte sich den Wein vom Kinn und verneigte sich kurz.
    »Guten Morgen, Chevalier. Pater Philippe La Fosse.«
    Tannhäuser starrte den Priester eine Weile an.
    »Wie kann ich Euch helfen?«, fragte La Fosse. »Chevalier?«
    »Meine Frau wurde ermordet.«
    »Eure Frau? Wie schrecklich …«
    »Sie liegt unweit dieser Kirche, ist wahrscheinlich in letzter Zeit hier zur Messe gegangen. Sie hat vielleicht sogar über eine Taufe gesprochen. Sie war hochschwanger.«
    Der Priester verzog das Gesicht zu dem ausdruckslosen Mitgefühl, das sein Berufsstand forderte.
    »Ich erinnere mich leider an keine solche Frau. Und dies ist keine Pfarrkirche, also bezweifle ich, dass sie hier zur Messe gewesen ist. Sainte-Cécile gehört zur Priorei von Sainte-Croix, wenn die Kirche auch an Sonn- und Feiertagen allen offensteht.«
    »Jedenfalls wäre ich dankbar, wenn Ihr sofort einige Diener aufwecken und ihre Leiche herholen ließet. Und eine Frau mit starkem Gemüt, um sie zu waschen. Ich möchte einen guten, festen, mit Blei ausgeschlagenen Sarg. Ich will sie mit nach Hause nehmen, und der Weg ist weit. Ein anständiges Leichentuch, die Sterbesakramente, ein Requiem und so weiter. Es würde ihre Seele trösten, dass sie in einer Kirche ruht. Es würde auch mich trösten.«
    La Fosse wedelte mit den Händen. Sein Mitgefühl wirkte echt, aber es berührte ihn nicht so tief, dass er unvorhergesehene Arbeiten zu übernehmen bereit war. Er setzte ein freundliches, aber bedauerndes Lächeln auf.
    »Dies ist ein recht schäbiges altes Gemäuer, und Paris fehlt es kaum an herrlichen Kirchen …«
    »Solcher Glanz hat Christus nicht beeindruckt. Carla genauso wenig.«
    »Und ein mit Blei ausgeschlagener Sarg …«
    »Dies ist eine reiche Pfarrei in einer reichen Stadt. Hier gibt es Dutzende solcher Särge. Die Wohlhabenden glauben, dass sie damit ihre Aussichten auf den Einzug ins Paradies erhöhen können. Ich will mit dem Blei nur den Geruch der Verwesung eindämmen.« Er warf eine Unze spanisches Gold auf den Tisch. »Dafür könnte ich einen mit Silber ausgeschlagenen Sarg kaufen.« Er fügte eine zweite Münze hinzu. »Für den Opferstock.«
    Die Schwierigkeiten verschwanden so schnell wie das Gold.
    »Ich kümmere mich persönlich darum. Für eine kleine Spende bietet die Priorei ein wunderbares, sechsstimmig gesungenes Requiem an. Herrliche Knaben. Sie würden selbst ein Herz aus Stein rühren.«
    »Ein ehrlicher Mann trauert ohne Zeugen.«
    »Wie Ihr wünscht.«
    Tannhäuser überlegte, wie sehr Carla Musik liebte.
    »Nein, Gesang passt vielleicht doch. Aber über diese Einzelheiten denke ich nach, wenn ich zurückkomme.«
    »Wo finden meine Diener Eure Frau?«
    »In einem Schlafzimmer im ersten Stock des Hôtel d’Aubray.«
    La Fosse wurde noch röter im Gesicht. Er stützte sich mit einer Hand auf dem Tisch ab.
    »Eure Frau war Gast von Madame d’Aubray?«
    Die Nachricht versetzte La Fosse in einen Wirbel von Gedanken. Tannhäuser konnte keinen davon lesen. Priester waren es ja gewohnt, ihre Gedanken zu verbergen. La Fosse gewann mit Mühe seine ausdruckslose Miene wieder.
    »Darf ich fragen, warum Eure Frau dort war?«
    »Carla wurde von der Königinmutter zur Hochzeit bei Hof eingeladen. Sie wohnte bei Madame d’Aubray, die ebenfalls dort spielen sollte.«
    »Das ist

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