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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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und einige Erwachsene starrten sie an, als wäre sie ein exotisches Tier. Die Blicke der Frauen waren weniger freundlich. Grymonde stand neben ihr, und sie fühlte sich sicher. Sie reckte sich, und obwohl ihre Oberschenkel wehtaten, war ihr Rückenschmerz abgeebbt. Die Menschenmenge murmelte leise, und doch wagte niemand, sich auf die Beute zu stürzen, wie sie es sicher zu gern getan hätten. Carla spürte, dass Antoinette ihre Hand nahm, und drückte sie.
    Grymonde hob die Arme.
    »Ein großer Tag für die Leute von Cockaigne!«
    Er wurde mit lautem Hurra belohnt und grinste.
    »Wir haben Essen und Fiedeln, Punsch und Wein, Zucker und Seide, und alles für heute, denn vielleicht gibt es kein Morgen mehr.«
    »Kein Morgen!«, schrie eine Frau.
    Die Menge nahm den Ruf auf.
    Grymonde wandte sich zu Carla um, als wollte er sagen: Versteht Ihr jetzt?
    Sie war seltsam berührt, teilweise durch die Freude der Menschen, teilweise weil ihre Gefühle ihm wichtig zu sein schienen. Sie nickte.
    »Wie heißt das Mädchen?«
    »Antoinette.«
    Grymonde wandte sich an die Versammlung.
    »Zunächst heißt unsere neuen Schwestern willkommen. Carla, die Dame aus dem Süden, die weder Pomp noch Stolz braucht, also seid nicht schüchtern. Und Antoinette, ein weiteres Waisenkind, das wir durchfüttern müssen. Wie Jesus selbst sagte: Lasset die Kindlein zu mir kommen .«
    Carla fragte sich, ob das ein grausamer Scherz sein sollte, und schaute ihm ins Gesicht, aber er meinte es ernst. Der Mann war fähig, Bosheit und Tugend mit vollkommener innerer Harmonie in sich zu vereinen.
    Grymonde faltete die Hände und wurde ernst.
    »Einige unserer Brüder werden nicht zurückkommen. Die jungen Löwen haben sich an einem wilden Feind die Zähne ausgebissen. Wir wollen bis zum Morgen die Totenwache für sie halten. Wir werden sie mit einem Fest betrauern. Lachen und volle Bäuche sollen unser Abschiedsgruß sein. So ehren wir auch unseren toten Feind, ja, denn Salomon in all seiner Pracht stand nie einem so wilden Wesen gegenüber. Sein Name möge ausgesprochen und gehört werden, damit er unter uns eine Legende werde. Carla?«
    Er wandte sich an Carla, und die war einen Augenblick verwundert, dass sie im Mittelpunkt stand.
    »Sprecht. Wir wollen Euren Beschützer ehren.«
    »Altan Savas.«
    Es schnürte ihr den Hals zu. Es stimmte. Altan war für sie gestorben. Sie erhob die Stimme.
    »Er hieß Altan Savas. Das bedeutet Roter Sonnenaufgang .«
    »Seht ihr?« Grymonde lächelte die Menge an. »Wer außer dem Schicksal hätte einen solchen Mann schicken können, um uns zu erproben? Altan Savas. Roter Sonnenaufgang . Und es war eine blutige Morgendämmerung.«
    »Grymonde hat ihn eigenhändig getötet!«, rief Bigot.
    »Stand knietief im Blut!«, fügte Papin hinzu.
    Grymonde tippte sich mit einem seiner Riesenfinger an die Brust.
    »Dieser alte Halsabschneider stand nicht allein da, sonst hätte der Wilde mir die Lungen aus dem Leib gerissen.« Er grüßte seine Kameraden. »Dieser Altan Savas war nicht nur ein Krieger von ungeheuren Fertigkeiten, sondern seine Haut war, wie ihr sehen werdet, mit Teufeln bemalt und mit geheimen Zauberformeln und Sprüchen übersät.«
    Grymonde machte Bigot ein Zeichen, der zwei breite Streifen frisches Fleisch hervorzog und schwenkte. Auf der einen Seite waren sie matt rot vor geronnenem Blut. Auf der anderen waren sie mit arabischen Zeichen und Janitscharen-Tätowierungen beschrieben.Mattias hatte auch solche Markierungen an Armen und Schenkeln, wie sie Altan Savas gehabt hatte.
    Die Menge stöhnte auf und murmelte, und einige bekreuzigten sich.
    Carla wandte sich angewidert ab. Sie schaute Grymonde an.
    Er wich ihrem Blick aus.
    »Aber die Geschichten von unseren Heldentaten können warten, bis unser Tisch gedeckt ist. Wir haben ein Schwein besorgt, das diese herrliche Kost ergänzen soll. Verderbt euch also nicht den Appetit. Bis dahin ist noch viel zu tun. Also macht euch über die Beute her und leert die Karren. Diesen hier jedoch nicht.«
    Grymonde deutete auf Carlas Gepäck.
    Carla war immer noch angewidert und schüttelte den Kopf.
    »Nein, sie sollen alles haben. Nur meine Gambe ist von Wert für mich.«
    »Gut gesprochen«, murmelte Grymonde. Seine Augen sprühten nach seiner Flammenrede noch vor Leidenschaft, und wieder hatte sie Zweifel an seinem Verstand. »Was ist diese Gambe?«
    »Der größte Kasten.«
    Er zog ihn heraus und schwenkte ihn in der Luft.
    »Carla sagt: Bedient euch an ihren

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