Die Blutnacht: Roman (German Edition)
tragisch. Mein herzliches Beileid.«
»Carla liegt mit Sackleinen zugedeckt im Schlafzimmer im ersten Stock. Eure Diener werden auch andere Leichen finden, aber die kümmern mich nicht. Euch auch nicht, es sei denn, die Menschenliebe bewegt Euch.«
»Andere?«
»Madame d’Aubray hängt von einem Fensterkreuz. Ihre Kinder und ein Diener liegen drinnen. Carlas Leibwache auch, aber um seine sterblichen Überreste kümmere ich mich später selbst.«
Angesichts dieser weiteren Einzelheiten führte La Fosse entsetzt eine Hand zur Stirn.
»Hört Ihr mir zu, Pater?«
»Ja, verzeiht. Ich kannte Symonne d’Aubray. Das ist furchtbar. Eine wahrhaft feine Dame. Ihre Kinder auch? Großer Gott! Wann ist das geschehen?«
»Ich denke, vor etwa zwei Stunden, während ich durch die Ereignisse im Louvre aufgehalten wurde.«
»Im Louvre?« Offensichtlich änderte La Fosse soeben seine Meinung über Tannhäusers Bedeutung. »Die Verschwörung der Hugenotten? Der Mordanschlag auf den König?«
»Es hat weder eine Verschwörung noch einen solchen Anschlag gegeben.«
»Aber sie haben es schon mehr als einmal versucht …«
»Gestern Nacht haben wir uns gegen sie verschworen.«
Die Augen des Priesters wanderten erneut zu den Flecken auf Tannhäusers Brust.
»Was für einen entsetzlichen Verlust Ihr im Dienste Gottes und der Krone erlitten habt …«
»Ich diene weder Gott noch der Krone. Ich diene niemandem.«
»Ah ja.« La Fosse starrte auf seine Daumen.
Tannhäuser legte eine Hand vors Gesicht und presste die Finger an die Schläfen. Die Brust war ihm eng geworden. Er konnte sich kaum daran erinnern, warum er hergekommen war, warum er mit diesem schwarz gekleideten Speichellecker redete. Wut erfüllte ihn. Ein Krieg tobte in seinem Kopf. Doch im Krieg gab es zumindest einen Anschein von Struktur und Absicht, wünschenswerte und gefürchtete Ergebnisse, in seinen Gedanken nicht. Er wusste nicht, wohin sein nächster Schritt führen sollte. Gedanken stürmten auf ihn ein, auf die Leere in seinem Herzen.
»Ist das Kind zur Vorhölle verdammt?« Tannhäuser platzte mit dieser Frage heraus, ohne überhaupt darüber nachgedacht zu haben. »Unser Kind hatte eine Seele. Sicherlich schafft nicht erst die Reise vom Mutterschoß in die Welt eine solche Seele. Diese Reise ist lang und gefährlich. Nur eine Seele hätte den Mut dazu.«
Tannhäuser ließ die Hand sinken. Er ballte die Fäuste. Er schaute La Fosse an.
»Ich weiß, dass die Kirche wenig Gnade mit Kindern hat, die ungetauft sterben«, fuhr Tannhäuser fort. »Deswegen habe ich unser erstes Kind getauft. Wenn unser neues Kind schon vor seiner Geburt getötet wurde, muss es doch unschuldig sein. Und wenn unser Kind von der Erbsünde frei ist, weswegen sollte es dann in die Hölle müssen?«
Er verspürte den Wunsch, La Fosse beim Hals zu packen und zu würgen.
»Würdet Ihr eine solche Seele in die Hölle schicken?«
»Nein, nein. Niemals. Bitte, Chevalier, tut mir nicht weh.«
»Um Carla zurückzubringen, würde ich jeden Menschen in ganz Paris opfern. Sie würde mich für diese Tat, vielleicht sogar schon für den Gedanken daran, verdammen. Und doch würde ich die Axt nehmen und sie alle, einen nach dem anderen, zum Schafott zerren, nur um sie noch einmal lächeln zu sehen.«
La Fosse wich vor diesen blutrünstigen Reden zurück.
Tannhäuser beherrschte sich wieder.
»Verzeiht mir, Pater. Ich danke Euch, dass Ihr Euch ihrer sterblichen Überreste annehmt. Adieu.«
Er wandte sich ab. Er meinte, einen Grund für sein Gehen geben zu müssen.
»Ich komme später wieder. Ich muss meine Gewehre holen.«
»Bruder Mattias, wartet.«
Tannhäuser spürte La Fosses Hand auf dem Arm. Er schaute ihn an. Tannhäusers nahender Aufbruch hatte den Priester beruhigt. Er hatte keine Angst mehr.
»Lasst Euch von mir die Beichte abnehmen. Das wird Eure Bürde erleichtern. Dann könnt Ihr die Kommunion empfangen. Lasst den Leib des Herrn Eure Wunden heilen.«
»Pater, seit ich vor kaum einem Tag in diese Stadt kam, habe ich sechs Männer getötet, die ich, um der Wahrheit die Ehre zu geben, überhaupt nicht hätte töten müssen. Ich habe dem wichtigsten Berater des Königs dargelegt, dass er die Elite der Hugenotten dahinmetzeln müsse. Ihr Blut klebt an meinen Händen. Ich habe meine Frau und unser ungeborenes Kind im Stich gelassen, und nun sind beide dahingeschlachtet und geschändet. Und es warten weitere Mordtaten auf mich. Diese und weitere Sünden gestehe ich, manche mit
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