Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Inhaftierten schlecht. Sie täuschten sich nicht. Francesco und Paolo Orsini hatten ihre Funktion als Geiseln und damit ihre Existenzberechtigung in den Augen der Borgia verloren und wurden im Januar 1503 erwürgt. Kardinal Giovanni Battista folgte ihnen am 22. Februar in den Tod. Laut Alexander VI. starb er vor Kummer über das Unglück der Seinen. Der Verdacht, dass dabei kräftig nachgeholfen wurde, hat sich bis heute gehalten.
16. Vabanque-Spiel und Zusammenbruch der Borgia-Macht
Anfang 1503 mehrten sich die Zeichen für eine radikale politische Neuausrichtung des Pontifikats. Die Borgia waren mit ihrem mächtigen Verbündeten Ludwig XII. von Frankreich immer unzufriedener. Er lasse ihnen bei ihren Unternehmungen in Italien keine freie Hand, so lautete die Klage im Familienrat, und halte außerdem seine schützende Hand über die letzten überlebenden Vertreter der Orsini, die durch diese Rückendeckung in ihrem erbitterten Abwehrkampf bestärkt wurden. Solange die Borgia nicht aus dem Schatten des französischen Königs heraustraten, blieb ihr politischer Spielraum und damit auch ihre Autorität beschränkt. Andererseits waren Fürsten wie sie auf die Protektion einer Großmacht angewiesen, allein schon, um sich gegen die Ungunst künftiger Päpste zu behaupten.
Wenn nicht Frankreich, dann eben Spanien: Dieser Wechsel des Bündnispartners hatte aus der Sicht Alexanders und Cesares im Frühjahr 1503 viel für sich. Dafür sprach auch der Siegeszug, den Gonzalo Fernandez de Cordoba im Königreich Neapel angetreten hatte. Ein ums andere Mal hatte der «Große Kapitän», wie ihn seine eigenen Soldaten bewundernd nannten, die zahlenmäßig überlegenen französischen Truppen geschlagen, selbst in ausweglos erscheinenden Lagen. Es war an der Zeit, sich auf die Seite des sicheren Siegers zu stellen. Solche Stimmen mehrten sich jetzt im Rat der Borgia.
Darüber hinaus warb Alexander VI. weiterhin heftig um Venedig: Die Serenissima solle sich rückhaltlos zu seinem Sohn bekennen und dessen Feinde nicht mehr schützen. Damit war das Asyl gemeint, das Guidobaldo da Montefeltro auf der Flucht vor seinen Häschern gefunden hatte. Doch mit solchen Vorwürfen richtete Alexander VI. immer weniger aus. Die führenden Patrizier an der Lagune empfanden das Zusammengehen mit den Borgia zunehmend als Belastung: für ihre Ehre, ihren Ruf und auch für ihre politischen Ziele.
Diese Entfremdung vertiefte sich weiter durch den plötzlichen Tod des venezianischen Kardinals Giovanni Michiel, seines Zeichens Bischof von Verona. Im Konklave vom August 1492 hatte dieser Kirchenfürst zu den letzten gehört, die sich durch die Wahlgeschenke der Borgia gewinnen ließen. Gut zehn Jahre später war sein Vermögen kräftig angewachsen. So viel Reichtum weckte jetzt die Begehrlichkeit der Borgia. Für welches Bündnis und welche Eroberung sie sich auch entscheiden würden, Geld kosteten ihre Unternehmungen allemal. Wie die anderen Kirchenfürsten auch hatte Michiel keine facultas testandi erhalten; er durfte kein Testament machen, sodass sein Vermögen im Falle seines Todes an die Borgia fallen würde.
In ähnlicher Lage hatte ein Großteil der Purpurträger Rom zu Beginn des Jahres 1503 fluchtartig verlassen. Michiel hingegen blieb – und wurde kurz darauf ermordet. Hatte er geglaubt, er sei durch die Markusrepublik ausreichend geschützt? Falls ja, war das ein tödlicher Irrtum, wie der venezianische Botschafter Antonio Giustinian in einer Eildepesche vom 11. April an den Senat der Republik berichtete. Kurz nach der Nachricht vom Tod des Bischofs von Verona begab sich der Botschafter in den Vatikan, um für eine den Interessen Venedigs genehme Vergabe des vakanten Bistums zu sorgen. Doch die erbetene Audienz wurde ihm mit der Begründung verweigert, der Papst und sein Sohn seien damit beschäftigt, den Nachlass des frisch Verstorbenen zu sichten. Bald danach erfuhr Giustinian, dass die Borgia vom Ergebnis dieses Kassensturzes enttäuscht waren. Statt der 100.000 Dukaten, mit denen sie fest gerechnet hatten, wurden nur 24.000 im Palast des Toten gefunden. Offensichtlich hatte der reiche Kirchenfürst für seine zeitlichen Güter bessere Vorsorge getroffen als für sein Leben. Gegenüber seinen Vorgesetzten an der Lagune machte der Botschafter aus seinem Herzen keine Mördergrube: In Rom zweifle niemand daran, dass Michiel von den Borgia vergiftet worden sei. Dafür sprachen schon die Umstände seines Todes: Einen Tag und eine
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