Die Bourne-Identität
nichts anzufangen. »Fahren Sie nach 139 East Seventy-first. Bestätigen Sie.«
»Eins-drei-neun East Seventy-first.«
»Lassen Sie Ihr Fahrzeug außerhalb. Gehen Sie zu Fuß.«
»Verstanden.«
»Ende.«
»Ende.« Webb schob den Sendeknopf zurück und reichte das Mikrophon wieder dem Fahrer. »Vergessen Sie die Adresse, Sergeant. Ihr Name ist jetzt registriert.«
»Kapiert, Major. Ich kriege über den Kasten ohnehin bloß Störungen rein. Aber, da ich nicht weiß, wo es ist, und diese Kiste auch nicht dahin soll - wo soll ich Sie denn rauslassen?«
Webb lächelte. »Höchstens zwei Blocks entfernt. Ich würde im Rinnstein einschlafen, wenn ich weiter gehen müßte.«
»Wie war's mit der Lex und der Einundsiebzigsten?«
»Sind das zwei Blocks?«
»Höchstens drei.«
»Wenn es drei Blocks sind, sind Sie wieder gewöhnlicher Schütze.«
»Dann könnte ich Sie nachher nicht abholen, Major. Gewöhnliche Schützen sind für diesen Dienst nicht freigegeben.«
»Wie Sie meinen, Captain.« Webb schloß die Augen. Nach zwei Jahren sollte er Treadstone Seventy-One zum erstenmal persönlich zu Gesicht bekommen. Er wußte, daß das eigentlich ein Gefühl der Erwartung in ihm auslösen sollte; aber das tat es nicht. Es löste nur Müdigkeit und ein Gefühl der Sinnlosigkeit in ihm aus. Was war los?
Das beständige Dröhnen der Reifen auf dem Straßenpflaster wirkte hypnotisch, aber es kam immer wieder zu kurzen Stößen, wenn der Wagen über ein Schlagloch rollte. Diese Geräusche erweckten Erinnerungen an die Vergangenheit in ihm, Erinnerungen an kreischende Dschungelgeräusche, die in eine einzige Melodie verwoben waren. Und dann die Nacht -jene Nacht - in der rings um ihn blendende Lichter und ein Stakkato von Explosionen war, um ihn und unter ihm und ihm meldeten, daß er gleich sterben würde. Aber er starb nicht; ein Wunder in Gestalt eines Mannes hatte ihm sein Leben zurückgegeben ... und die Jahre gingen weiter seit jener Nacht, aber er würde jene Tage nie vergessen. Was zum Teufel war los mit ihm?
»Hier sind wir, Major.«
Webb schlug die Augen auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er sah auf die Uhr, griff nach seiner Aktentasche und mit der anderen Hand nach der Türklinke.
»Ich werde zwischen dreiundzwanzig Uhr und dreiundzwanzig Uhr dreißig hier sein, Sergant. Wenn Sie nicht parken können, fahren Sie einfach ein paarmal um den Block, dann finde ich Sie schon.«
»Yes, Sir.« Der Fahrer drehte sich in seinem Sitz herum. »Könnten Herr Major mir sagen, ob wir noch eine größere Strecke fahren?«
»Warum? Haben Sie noch eine Fahrt zu machen?«
»Ach kommen Sie, Sir. Ich bin Ihnen zugewiesen, bis Sie sagen, daß Sie mich nicht mehr brauchen. Das wissen Sie doch. Aber diese gepanzerten Kästen brauchen genausoviel Benzin wie die alten Shermans. Wenn wir weit fahren müssen, sollte ich tanken.«
»Entschuldigung.« Der Major hielt inne. »Okay. Sie müssen ohnehin ausfindig machen, wo es ist, weil ich es nämlich nicht weiß. Wir fahren zu einem Privatflugplatz in Madison, New Jersey. Ich muß spätestens um ein Uhr dort sein.«
»Ich kann es mir ungefähr vorstellen«, sagte der Fahrer. »Wenn Sie erst um halb zwölf Uhr kommen, wird das ziemlich knapp, Sir.«
»Okay - also elf Uhr. Und vielen Dank.« Webb stieg aus, schloß die Tür und wartete, bis die braune Limousine sich in den Verkehrsfluß der Zweiundsiebzigsten Straße eingereiht hatte. Dann ging er in südlicher Richtung auf die Einundsiebzigste zu.
Vier Minuten später stand er vor einem gepflegten Backsteinbau, dessen eleganter Stil sich dem der anderen Häuser in der von Bäumen gesäumten Straße anpaßte. Es war eine stille Straße, eine, die nach Geld roch - altem Geld. Wahrscheinlich gab es in ganz Manhatten keinen Ort, an dem man weniger eine der empfindlichsten Abwehrorganisationen im ganzen Land vermutet hätte. Und bis vor zwanzig Minuten war Major Gordon Webb einer unter acht oder zehn Leuten im ganzen Land gewesen, die von ihrer Existenz wußten.
Treadstone Seventy-One.
Er ging die Treppe hinauf und wußte, daß der Druck, den sein Gewicht auf die Eisengitter ausübte, die in den Stein eingelassen waren, elektronische Geräte ansprechen ließ, die ihrerseits Kameras einschalteten, die auf Bildschirmen im Haus sein Bild wiedergaben. Darüber hinaus wußte er wenig, nur daß Treadstone Seventy-One nie schloß; es arbeitete vierundzwanzig Stunden am Tage und wurde während der vierundzwanzig Stunden von einigen
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