Die Bourne-Identität
rasen. Explosionen. Tod. Der Jungen und der sehr Jungen.
Aufhören! Das Rad anhalten! Du mußt dich jetzt auf die Straße konzentrieren. Du darfst nicht denken. Denken ist zu schmerzhaft. Du weißt nicht weshalb.
Sie erreichten die von Bäumen gesäumte Straße in Parc Monceau. Villiers fuhr hundert Meter vor ihm, mit einem Problem konfrontiert, das er noch vor Stunden nicht gekannt hatte; jetzt waren viel mehr Fahrzeuge auf der Straße. Einen Parkplatz zu finden, würde schwierig sein.
Aber da gab es einen genügend großen Platz zur Linken, schräg gegenüber dem Haus des Generals. Villiers hielt die Hand zum Fenster hinaus und winkte Jason zu, ihm zu folgen.
Und dann geschah es. Jasons Augen wurden von einem Lichtschein in einer Tür geblendet und erfaßte in Sekundenschnelle die Gestalten im schwachen Licht; Entsetzen packte ihn und ganz automatisch, vom Instinkt geleitet, griff er nach der Pistole, die in seinem Gürtel steckte.
Hatte man ihn doch in eine Falle gelockt? War das Wort eines Generals von Frankreich wertlos gewesen?
Villiers manövrierte seine Limousine in die Parklücke.
Bourne drehte sich in seinem Sitz herum und schätzte die Umgebung ab; aber niemand kam auf ihn zu, niemand näherte sich. Die Situation war so unwirklich und doch wieder so wirklich, daß der alte Haudegen nichts begreifen konnte.
Denn auf der anderen Straßenseite, auf den Stufen, die in Villiers Haus führten, stand eine junge, attraktive Frau unter der Türe. Sie redete schnell und mit kleinen, ängstlich wirkenden Gesten auf einen Mann ein, der auf der obersten Treppenstufe stand und die ganze Zeit nickte, als erhielte er Instruktionen. Und dieser Mann war der grauhaarige, distinguiert aussehende Telefonist vom Les Classiques. Der Mann, dessen Gesicht Jason irgendwie bekannt vorkam. Ein Gesicht, das andere Bilder ausgelöst hatte ... Bilder, die gewalttätig und schmerzhaft waren, die ihn nicht in Ruhe ließen, wie jene letzte halbe Stunde in dem Renault gezeigt hatte ...
Aber etwas war hier anders. Dieses Gesicht weckte Erinnerungen an Finsternis und stürmische Winde am nächtlichen Himmel, an Explosionen, die eine nach der anderen kamen, Geräusche von einem Stakkato-Gewehrfeuer, das durch die Myriaden-Tunnels eines Dschungels hallte.
Bourne wandte mit einiger Mühe den Blick von der Türe und sah Villiers durch die Windschutzscheibe an. Der General hatte seine Scheinwerfer abgeschaltet und war jetzt im Begriff, aus dem Wagen zu steigen. Jason ließ die Kupplung los und rollte nach vorne, bis er mit der hinteren Stoßstange der Limousine kollidierte. Villiers fuhr in seinem Sitz herum.
Bourne schaltete seine eigenen Scheinwerfer ab und knipste das kleine Dachlicht im Wageninneren an. Er hob die Hand - die Handfläche nach unten - und hob sie dann noch zweimal, sagte dem alten Soldaten, er solle bleiben, wo er war. Villiers nickte, und Jason schaltete die Lichter ab.
Er blickte wieder zu der Türe hinüber. Der Mann war einen Schritt nach unten gegangen, ein letzter Befehl der Frau hatte ihn aufgehalten. Bourne konnte sie jetzt ganz deutlich sehen. Sie war Mitte bis Ende Dreißig und hatte kurzes, dunkles Haar, das modisch geschnitten war und ein von der Sonne gebräuntes Gesicht einrahmte. Sie war eine hochgewachsene Frau, fast statuenhaft, und das eng anliegende Tuch eines langen, weißen Kleides, das ihre braune Hautfarbe vorteilhaft zur Geltung brachte, hob ihre schwellenden Brüste hervor. Wenn sie Teil des Hauses war, hatte Villiers sie nicht erwähnt, und das bedeutete, daß sie das vermutlich nicht war. Sie schien eine Besucherin zu sein, die wußte, wann der richtige Zeitpunkt war, um zu dem Haus des alten Mannes zu kommen. Das bedeutete, daß es eine Kontaktperson in Villiers Haus gab, die mit ihr in Verbindung stand. Der alte Mann mußte sie eigentlich kennen!
Der grauhaarige Telefonist nickte ein letztes Mal, kam die Treppe herunter und ging schnell die Straße entlang. Die Türe schloß sich, und das Licht der Kutschenlampen beleuchtete die verlassene Treppe und die glänzende schwarze Tür mit den Bronzebeschlägen.
Warum bedeuteten jene Stufen und jene Türe etwas für ihn?
Waren es Bilder? Eine Realität, die nicht existierte?
Bourne stieg aus dem Renault, beobachtete die Fenster, hielt Ausschau nach der Bewegung eines Vorhangs; doch da war nichts. Er ging schnell zu Villiers Wagen; das vordere Seitenfenster wurde heruntergekurbelt, das Gesicht des Generals erschien, und seine dichten
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