Die Bourne-Identität
Augenbrauen hoben sich überrascht. »Was um Himmels willen tun Sie?« fragte er.
»Dort drüben bei Ihrem Haus«, sagte Jason und duckte sich ein wenig, »Sie haben es auch gesehen?«
»Ja, und?«
»Wer war die Frau? Kennen Sie sie?«
»Das will ich meinen! Sie ist meine Frau.«
»Ihre Frau!« Bourne war die Überraschung anzusehen.
»Ich dachte, Sie hätten gesagt ... ich dachte, Sie hätten gesagt, sie sei eine alte Frau. Sie wollten, daß Sie mich anhört, weil Sie seit Jahren Ihrem Urteil blind vertrauen. Das haben Sie vorhin gesagt.«
»Nicht genau. Ich habe gesagt, sie sei eine alte Soldatenfrau. Und ich habe in der Tat großen Respekt vor ihrem Urteil. Aber sie ist meine zweite Frau - meine sehr viel jüngere zweite Frau - aber mir ebenso lieb wie meine erste, die vor acht Jahren starb.«
»O mein Gott ... «
»Machen Sie sich keine Gedanken über den Altersunterschied. Sie ist stolz und glücklich, die zweite Madame Villiers zu sein. Sie war mir im Rat eine große Hilfe.«
»Es tut mir leid«, flüsterte Bourne. »Herrgott, es tut mir leid.«
»Was denn? Sie haben sie mit jemand anderem verwechselt?
Das geschieht häufig; sie ist schließlich eine auffallende Schönheit. Ich bin sehr stolz auf sie.« Villiers öffnete die Tür, während Jason sich aufrichtete. »Warten Sie hier«, sagte der General, »ich gehe hinein und sehe nach; wenn alles in Ordnung ist, öffne ich die Tür und gebe Ihnen ein Zeichen. Wenn nicht, komme ich zum Wagen zurück, dann fahren wir weg.«
Bourne blieb reglos vor Villiers stehen und hinderte damit den alten Mann am Aussteigen. »General, ich muß Sie etwas fragen. Ich weiß nicht recht, wie ich es anstellen soll, aber ich muß. Ich sagte Ihnen ja, daß ich Ihre Telefonnummer in einer Verbindungsstation gefunden habe, die Carlos benutzt. Ich habe Ihnen nicht gesagt, wo. Nur, daß sie von einer Person bestätigt wurde, die zugab, Nachrichten zwischen Carlos und dessen Kontaktpersonen zu vermitteln.« Bourne atmete tief, und sein Blick wanderte kurz zu der Tür auf der anderen Straßenseite. »Jetzt muß ich Ihnen eine Frage stellen und Sie bitten, sorgfältig nachzudenken, ehe Sie antworten. Kauft Ihre Frau ihre Kleider in einem Geschäft, das sich Les Classiques nennt?«
»In Saint-Honoré?«
»Ja.«
»Ich weiß zufällig, daß sie das nicht tut.«
»Sind Sie sicher?«
»Ganz und gar. Nicht nur, daß ich nie eine Rechnung von diesem Geschäft gesehen habe, sondern sie hat mir auch gesagt, daß ihr die Stoffe dort nicht gefallen. Meine Frau kennt sich in Modedingen sehr gut aus.«
»Mein Gott.«
»Was?«
»General, ich kann dieses Haus nicht betreten. Ich kann dort nicht hineingehen.«
»Warum nicht? Was wollen Sie damit sagen?«
»Der Mann auf der Treppe, der mit Ihrer Frau sprach. Er kommt von der Verbindungsstelle; das ist Les Classiques. Er ist ein Kontaktmann für Carlos.«
Alles Blut wich aus André Villiers Gesicht. Er wandte sich um, starrte über die von Bäumen gesäumte Straße zu seinem Haus hinüber auf die glänzende schwarze Tür und die Bronzedekoration, die das Licht der Kutschenlampen spiegelte.
Der pockennarbige Bettler kratzte sich die Bartstoppeln, nahm seine fadenscheinige Mütze ab und zwängte sich durch das Bronzeportal der kleinen Kirche in Neuilly-sur-Seine.
Er ging unter den mißbilligenden Blicken zweier Priester den rechten Aufgang hinunter. Die beiden Kleriker ärgerten sich; das war eine wohlhabende Gemeinde, und allem biblischen Mitgefühl zum Trotz hatte der Wohlstand doch seine religiösen Privilegien. Eine dieser Privilegien bestand darin, daß man eine gewisse Klasse von Gläubigen bevorzugte - und dieses alte, heruntergekommene Wrack paßte eigentlich nicht hierher.
Der Bettler machte einen mißglückten Versuch einer Kniebeuge und setzte sich dann in einen Betstuhl in der zweiten Reihe, bekreuzigte sich und kniete nieder, den Kopf im Gebet versunken, schob mit der rechten Hand den linken Ärmel seines Mantels zurück. An seinem Handgelenk war eine Uhr zu sehen, die irgendwie nicht zu seiner sonstigen Kleidung paßte. Es war eine teure Digitaluhr mit großen, auffälligen Ziffern. Ein Besitzstück, von dem man sich nie trennen würde, denn es handelte sich um ein Geschenk von Carlos. Vor einiger Zeit war er einmal fünfundzwanzig Minuten zu spät zur Beichte gekommen und hatte damit seinen Wohltäter verärgert, und keine andere Entschuldigung vorbringen können, als daß er keine genaue Uhr besessen habe. Bei ihrer
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