Die Bourne-Identität
auf der Siebzigsten Straße in westlicher Richtung auf die Lexington Avenue zu. Drei Straßen weiter südlich fand er das, was er suchte: ein Geschäft, das alte Uniformen und Militärutensilien verkaufte. Er ging hinein.
Acht Minuten später kam er wieder mit vier braunen Decken und sechs breiten Segeltuchgurten mit Metallschnallen heraus. In den Taschen seiner Militärjacke steckten zwei ganz gewöhnliche Straßenfackeln. Er hatte sie auf der Theke liegen sehen. Sie erinnerten ihn an irgend etwas; aber er wußte nicht an was. Er schlang sich seine Käufe über die linke Schulter und marschierte weiter auf die Einundsiebzigste Straße zu. Das Chamäleon näherte sich dem Dschungel, einem Dschungel, der ebenso dicht war, wie Tam Quan, damals vor vielen Jahren.
Es war zehn Uhr achtundvierzig, als er die Ecke des von Straßen gesäumten Häuserblocks erreichte, der die Geheimnisse von Treadstone Seventy-One enthielt. Er kehrte zum Anfang zurück - seinem Anfang - und die Furcht, die er empfand, war nicht die Furcht vor körperlichem Unbill. Darauf war er vorbereitet, jede Sehne, jeder Muskel war gespannt; seine Knie und Füße, seine Hände und Ellbogen warteten auf den Augenblick, wo seine Augen die Gefahr registrierten und der Kampf beginnen konnte. Seine Furcht ging viel tiefer. Er war im Begriff, den Ort seiner Geburt zu betreten, und davor hatte er panische Angst.
Hör auf! Die Falle ist alles. Cain ist für Charlie, und Delta ist für Cain!
Der Verkehr war wesentlich dünner geworden, die Rush-hour war vorüber, langsam breitete sich vormittägliche Ruhe in der Straße aus. Fußgänger schlenderten jetzt dahin, eilten nicht mehr; Autos bogen gemächlich um den Umzugswagen herum, und anstelle ärgerlicher Huptöne gab es jetzt nur noch ärgerliche Gesichter. Jason überquerte die Straße, als die Ampel auf Grün schaltete, und ging zur Treadstone-Seite hinüber; der hohe, schmale Bau aus braunem, ausgezacktem Backstein und dickem, blauem Glas war fünfzig Meter weiter unten an der Straße. Mit Decken und Gurten über der Schulter trottete ein etwas dümmlicher Taglöhner hinter einem gutgekleideten Paar schwerfällig auf das Haus zu.
Er erreichte die Betonstufen, als gerade zwei muskulöse Männer, ein Weißer und ein Schwarzer, eine in Decken gehüllte Harfe zur Tür hinaustrugen. Bourne blieb stehen und rief den beiden etwas zu. Seine Stimme klang stockend und sein Dialekt breit.
»Hey! Wo ist Dooganl«
»Wo denkste wohl?« erwiderte der Weiße und drehte den Kopf halb zur Seite. »Der hockt irgendwo rum.«
»Der nimmt doch nichts in die Pfoten, was schwerer is' als 'n Block«, fügte der Schwarze hinzu. »Er is' ja Chef, was, Joey?«
»'n Arschlosch is' er. Was has'n da?«
»Schumach hat mich geschickt«, sagte Jason. »Er wollte noch 'n Mann hier und hat sich gedacht, ihr könntet das Zeug da gebrauchen. Hat mir gesagt, ich soll's herbringen.«
»Der schöne Murray!« lachte der Neger. »Bist du ein Neuer, Mann? Hab' dich noch nie gesehen.«
»Mhm.«
»Dann bring doch den Scheiß zum Chef«, brummte Joey und setzte sich in Bewegung. »Der kann's dann verteilen, nicht wahr, Pete?«
Bourne ging die rötlich-braunen Stufen hinauf, vorbei an den zwei Arbeitern, auf die Türe zu. Er trat ein und sah die Wendeltreppe zur Rechten und den langen, schmalen Korridor vor ihm, der zu einer weiteren Türe führte, die dreißig Fuß entfernt lag. Tausendmal war er diese Stufen hinaufgestiegen und viele tausend Male den Korridor entlanggegangen, so wie jetzt. Er war zurückgekommen, und ein unbeschreibliches Gefühl der Angst zog ihm die Kehle zusammen. Er konnte die Sonnenstrahlen sehen, die in der Ferne durch französische Türen hereinfielen. Er näherte sich dem Raum, wo Cain geboren worden war. Jenem Raum. Er klammerte sich an den Gurten fest, die er sich über die Schulter gelegt hatte, und versuchte, dem Zittern Einhalt zu gebieten, das ihn durchlief.
Marie beugte sich auf dem Rücksitz der gepanzerten Regierungslimousine nach vorne und hob den Feldstecher. Etwas war geschehen. Ein untersetzter, kräftig gebauter Mann war vor ein paar Minuten an der Treppe der Backsteinvilla vorbeigegangen und hatte seine Schritte verlangsamt, als er sich dem General näherte, hatte offensichtlich etwas zu ihm gesagt. Dann hatte der Mann seinen Weg fortgesetzt, und Sekunden darauf war Crawford ihm gefolgt.
Conklin war gefunden worden.
Marie stellte das Glas scharf. Ein Umzugsarbeiter trat auf die Treppe zu, Decken und
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