Die Bourne Intrige
jeden Moment etwas Furchtbares passieren, und in diesem Augenblick gewann sie einen Einblick in sein Leben, wie sie ihn noch nie gehabt hatte.
Sie wollte ihm noch einmal sagen, dass er sich keine Sorgen machen müsse, dass ein Stromausfall auf Bali nichts Außergewöhnliches war, doch sie wusste, dass es zwecklos gewesen wäre. Er war auf eine solche Reaktion programmiert, und sie hätte absolut nichts sagen oder tun können, um daran etwas zu ändern.
Sie lauschte dem Wind und Regen und fragte sich, ob er etwas hörte, was sie nicht hörte. Für einen Moment kam Angst in ihr hoch: Konnte es sein, dass das kein gewöhnlicher Stromausfall war? Dass ihnen einer von Jasons Feinden gefolgt war?
Plötzlich war der Strom wieder da, und sie lachte über ihren dummen Gedanken. »Ich hab’s dir ja gesagt – es beschützt uns«, sagte sie und zeigte auf das lächelnde Holzschwein.
Bourne legte sich im Wasser zurück. »Man ist nirgendwo sicher«, erwiderte er. »Nicht einmal hier.«
»Du glaubst nicht an Geister, weder an gute noch an böse, nicht wahr, Jason?«
»Das kann ich mir nicht leisten«, antwortete er. »Ich sehe auch so schon genug Böses.«
Sein nüchterner Ton ließ Moira das Thema anschneiden, das ihr schon seit Tagen am Herzen lag. »Ich werde in der nächsten Zeit viel zu tun haben, um die richtigen Mitarbeiter zu finden. Wir werden uns sicher viel weniger sehen, zumindest bis ich mit meiner neuen Firma so weit bin.«
»Ist das eine Warnung oder ein Versprechen?«
Ihm fiel auf, dass ihr Lachen ein wenig unsicher klang. »Okay, ich hatte ein bisschen Angst, es anzusprechen.«
»Warum?«
»Du weißt ja, wie es ist.«
»Sag’s mir.«
Sie drehte sich in seinen Armen um und setzte sich im Wasser auf ihn. Das Rauschen des Regens in den Blättern war alles, was sie hören konnten.
»Jason, wir gehören beide nicht zu den Leuten, die … ich meine, wir führen beide ein Leben, das es einem nicht leicht macht, an etwas Beständigem festzuhalten, vor allem Beziehungen, also …«
Er unterbrach sie mit einem Kuss. Als sie sich voneinander lösten, um zu atmen, flüsterte er ihr ins Ohr: »Ist schon okay. Wir haben das, was heute ist. Wenn wir mehr brauchen, dann kommen wir zurück.«
Ihr Herz war von Freude erfüllt. Sie umarmte ihn innig. »Abgemacht. Oh ja, so machen wir es.«
Leonid Arkadins Flugzeug aus Singapur landete pünktlich. Am Zoll zahlte er für sein Einreisevisum, dann schritt er rasch durch das Flughafengebäude, bis er die Toilette fand. Drinnen trat er in eine Kabine, schloss die Tür und sperrte ab. Aus einem Rucksack nahm er die Knollennase, drei Schminktiegel, die Kunststoffprothese für die Wangenpartie und die grauen Kontaktlinsen, die er auch in München benutzt hatte. Acht Minuten später kam er schon wieder aus der Kabine und betrachtete im Spiegel sein verändertes Äußeres, das jetzt wieder Oberst Boris Karpow glich, Bournes Freund vom FSB-2 .
Er nahm seinen Koffer und schritt durch das Terminal in die Hitze und das Menschengewühl hinaus. Es war eine echte Erleichterung, in den von einer Klimaanlage gekühlten Wagen zu steigen, den er gemietet hatte. Als das Taxi den Flughafen Denpasar-Ngurah Rai verließ, beugte er sich vor und sagte zum Fahrer: »Zum Badung-Markt.«
Der junge Mann nickte, lächelte und steckte wenig später zusammen mit einer Armada junger Leute auf Motorrollern hinter einem riesigen Lastwagen fest, der zur Fähre nach Lombok rollte.
Nach einer nervenaufreibenden zwanzigminütigen Fahrt, auf der sie schließlich den Laster überholten und dabei im letzten Moment einem entgegenkommenden Wagen auswichen, trafen sie endlich in der Jalan Gajah Mada ein. Das Taxi wurde immer langsamer, bis die Menschenmenge ein Weiterkommen unmöglich machte. Arkadin bezahlte den Fahrer dafür, dass er auf ihn wartete, stieg aus und tauchte im Gewühl des Marktes unter.
Er wurde augenblicklich von allen möglichen markanten Gerüchen empfangen – Garnelenpaste, Chili, Knoblauch, Zimt, Zitronengras, Pandanblätter, Galanga, Kencur und Salamblätter. Von allen Seiten waren laute Stimmen zu hören, die alles Mögliche anpriesen, von Kampfhähnen mit pink und orange gefärbten Federn bis zu lebenden Ferkeln, die an Bambusstangen festgebunden waren, damit man sie leichter transportieren konnte.
Als er an einem Stand mit großen Körben mit Gewürzen vorbeikam, tauchte eine alte Frau ohne Oberlippe ihre klauenartige Hand in ein Fass mit Wurzeln und streckte ihm eine Handvoll
Weitere Kostenlose Bücher