Die Bourne Intrige
mochte ansonsten eher einem balinesischen Dämon gleichen, aber Devra sprach so etwas wie eine menschliche Seite in ihm an; nach ihrem Tod war er zu der Überzeugung gelangt, dass sie die einzige Frau war, die er je geliebt hatte oder hätte lieben können – ein Gedanke, der ihm gefiel, weil er in ihm den Drang nach Rache entfachte. Er hatte Ikupow getötet, aber Bourne war noch am Leben. Bourne war nicht nur mitschuldig an Devras Tod, er hatte auch noch Mischa getötet, Arkadins besten Freund.
Bourne hatte ihm damit einen Grund zum Weiterleben gegeben. Arkadins Plan, die Schwarze Legion zu übernehmen, um seine Rache an Ikupow und Sever perfekt zu machen, war nicht genug, obwohl seine Pläne viel weiter gingen, als sich Ikupow und Sever das hätten vorstellen können. Nein, er brauchte mehr: ein bestimmtes Ziel, an dem er seine Rachegelüste befriedigen und seine Wut, die in ihm tobte, stillen konnte.
Während er unter dem Moskitonetz lag, brach ihm immer wieder der kalte Schweiß aus; sein Gehirn schien abwechselnd zu brennen und dann wieder einzufrieren, als wäre es von einer dicken Eisschicht bedeckt. Er schlief ohnehin nur noch sehr wenig – doch nun war an Schlaf überhaupt nicht mehr zu denken. Und doch musste er einmal kurz eingenickt sein, denn in der Dunkelheit hatte er einen Traum: Er sah Devra, wie sie ihre dünnen weißen Arme nach ihm ausstreckte. Doch als er sie in die Arme nehmen wollte, öffnete sich ihr Mund und spie schwarze Galle aus. Sie war tot, aber er konnte sie nicht vergessen, und auch nicht das, was sie in ihm ausgelöst hatte: einen winzigen Riss in dem harten Granit seiner Seele, und durch den Spalt drang ihr geheimnisvolles Licht zu ihm herein, ein Gefühl, wie wenn der Schnee im Frühling zu schmelzen beginnt.
Moira erwachte, ohne Bourne neben sich zu spüren. Verschlafen rollte sie sich aus dem Bett und trat auf die Blüten, die sie auf dem Fußboden vorgefunden hatten, als sie von ihrem Abend am Strand zurückgekehrt waren. Sie ging über den kalten Fliesenboden und zog die Glastür auf. Bourne saß auf der Terrasse, von der man auf die Lombok-Straße hinunterblicken konnte. Lachsfarbene Wolken zogen tief über den östlichen Horizont. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch ihr Licht schien bereits herauf und vertrieb die Überreste der Nacht.
Sie öffnete die Tür und trat auf die Terrasse hinaus. Die Luft war erfüllt vom Duft der Tuberose, die in einem Topf auf dem Rattantisch stand. Bourne drehte sich halb zu ihr um.
Moira legte ihm die Hände auf die Schultern. »Was tust du?«
»Ich denke nach.«
Sie beugte sich hinunter und berührte sein Ohr mit ihren Lippen. »Worüber?«
»Darüber, dass ich mir selbst so ein Rätsel bin.«
In seiner Stimme war nicht das geringste Selbstmitleid, nur Frustration. Sie überlegte einen Augenblick. »Du weißt, wann du zur Welt gekommen bist.«
»Natürlich, aber das ist auch schon alles.«
Sie trat vor ihn. »Vielleicht können wir das irgendwie ändern.«
»Wie meinst du das?«
»Es gibt da einen Mann, ungefähr eine halbe Stunde von hier. Ich habe einiges über seine erstaunlichen Fähigkeiten gehört.«
Bourne sah sie an. »Du machst Witze, oder?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Schaden kann’s ja nicht.«
Der Anruf kam, und mit einer Entschlossenheit, wie er sie seit Devras Tod nicht mehr erlebt hatte, stieg Arkadin auf das Motorrad, das er am Vortag gemietet hatte. Er warf noch einmal einen Blick auf die Landkarte, dann fuhr er los. Östlich von Goa Lawah bog er nach Norden ab und fuhr auf einer schmalen Straße in die Berge.
»Zuerst einmal«, begann Suparwita, »muss ich Sie fragen, an welchem Tag Sie geboren sind.«
»Am fünfzehnten Januar«, antwortete Bourne.
Suparwita sah ihn lange an. Er saß ganz still auf dem gestampften Lehmboden seiner Hütte. Nur seine Augen bewegten sich ganz leicht, aber schnell, so als würde er irgendwelche schwierigen mathematischen Berechnungen anstellen. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Der Mann, den ich vor mir sehe, existiert nicht …«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Bourne scharf.
»… deshalb können Sie nicht am fünfzehnten Januar zur Welt gekommen sein.«
»Das steht aber auf meiner Geburtsurkunde.« Marie hatte es für ihn herausgefunden.
»Eine Geburtsurkunde, sagen Sie.« Suparwita sprach langsam und sorgfältig, so als käme es auf jedes Wort an. »Das ist nur ein Stück Papier.« Er lächelte, und seine schönen weißen Zähne schienen die dämmrige
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