Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
erhöht waren. Selbst die Räder waren in der Mischung aus Grün, Rot und Gold bemalt. Die Plane, die den Fahrgastraum des Wagens verhüllte, war zart pastellfarben und schlug im leichten Wind wie ein ermatteter Vogel mit den Flügeln. Die Kissen, mit denen der Wagen ausgepolstert war, ähnelten der Ausstattung im Schlafgemach des Hauses Bianchi, und in Lorenzos Erinnerung stieg das Bild auf, wie monna Beatrice, die Herrin des Hauses, zwischen den Kissen gelegen und ihn aufgefordert hatte, sich danebenzulegen. Dass er der Aufforderung nicht gefolgt war, hielt Lorenzo für seine beste Tat der letzten Monate. Der Lohn für die gute Tat bestand in der eisigen Feindschaft Beatrice Bianchis.
Nicht nur die Ausrüstung des Brautzugs, auch der Geleitschutz war beeindruckend gewesen; mindestens sieben Männer in einheitlichen Farben, ausgerüstet mit Brustharnischen und Kesselhauben.
Lorenzo und sein Trupp betrachteten die Szene, die sich vor ihnen ausbreitete, mit unbewegten Gesichtern.
»Eine gute Stelle haben sie sich ausgesucht«, sagte Pietro. »Leicht zu verteidigen, mit dem Wäldchen und dem Landbruch im Rücken und der freien Ebene direkt vor sich. Da kann man gestern schon sehen, wer morgen kommen wird.«
»Was hat’s ihnen genützt?«, fragte Buonarotti.
Lorenzo richtete sich im Sattel auf und spähte zu der Stelle hinüber, an der Niccolò und ein weiterer seiner Männer standen, kleine Gestalten in der Ferne. Sie sahen das Lager des Brautzugs von einer anderen Perspektive ein; Lorenzo hielt es mit der Ansicht, dass zwei Paar Augen immer mehr sehen als eines. Einer der beiden, wahrscheinlich Niccolò, winkte mit wichtiger Geste zurück.
»Die Luft ist rein, wir können hinein«, sang Pietro Trovatore, weniger aus Überschwang denn aus Gewohnheit. Er schloss mit einem Misston und kratzte sich nachdenklich am Kinn.
Lorenzo winkte zurück und beobachtete, wie die beiden Männer in der Ferne sich in Bewegung setzten. Er nickte seinem Trupp zu. Der Brautwagen würde die Stelle sein, an der die Fährten beider Truppenteile zusammentreffen würden. Lorenzos Herzschlag war langsam und dumpf; es fiel ihm schwer, die unbewegte Miene aufrechtzuerhalten. Er spürte die Seitenblicke seiner Männer, aber er wusste, dass sie nichts sagen würden, solange er selbst keine Bemerkung zu der Situation vor ihnen machte – dazu hatten sie Niccolòs Sticheleien gestern Abend und heute zu deutlich vernommen.
Der Hangelwagen lag auf der Seite. Zwei der sechs Rippen über dem Wagenkasten waren gebrochen und reckten ihre zersplitterten Bruchstellen in die Luft. Das Fahrwerk, in seiner schwingenden Aufhängung aus Ketten und Gurten verrutscht, sah aus wie gebrochene Gliedmaßen unter einem zerschmetterten Körper. Die Kissen lagen um den Wagen herum, aus einigen von ihnen bluteten die Daunenfedern, die der Wind immer weiter verstreute. Federn tanzten über das Lager, punkteten das zusammengetrampelte Gras weiß, taumelten zwischen den reglosen Gestalten, die dicht nebeneinander in der Nähe des Wagens lagen, und wirbelten mit der Asche aus der erloschenen Feuerstelle um die Wette. In der Sonne blitzten die Rüstungsteile der Männer, als steckte noch Leben in den Körpern, aber Lorenzo bezweifelte, dass dies der Fall war.
»Wo ist der Trosswagen?«, brummte Buonarotti. Niemand antwortete. Die Frage würde sich entweder klären, wenn sie das Desaster vor ihren Augen genauer untersucht hatten, oder nie. Alle wussten, dass überdies eine andere Frage wichtiger war: Wo war Clarice Tintori? Die Gestalten auf dem Boden waren samt und sonders Männer in Harnischen – der Geleitschutz. Lorenzo spähte zu dem Wäldchen hinüber und fürchtete, dass er wusste, was sie dort vorfinden würden. Ihm war übel.
»Lange Reihe bilden«, befahl er. Der Trupp zog sich auseinander. Wer immer sie von der Ferne mit Pfeilen oder Armbrustbolzen angreifen wollte, hatte jetzt viele einzelne, sich bewegende Ziele. Keiner seiner Männer fragte ihn, wozu dieser Befehl nötig war, wo sie doch festgestellt hatten, dass sich im Lager nichts mehr regte. Sie dachten alle an das Wäldchen, das von außen uneinsehbar war. Wenn dort hundert Mann im Hinterhalt lägen, würden sie sie dennoch nicht sehen. Niccolò und sein Begleiter trabten eng nebeneinander heran. Lorenzo glaubte, Pietro Trovatore etwas singen zu hören, das die Wörter Idiot und tot enthielt, aber er ignorierte es. Alles, worauf er sich konzentrierte, lag vor ihm im freundlichen Licht der
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