Die Braut des Piraten
recht bedenke … da er nicht weiß, dass der König verlegt wurde, wird er vielleicht einen Versuch wagen. Wir könnten ihm dabei eine Falle stellen. Hier, Eve, nimm diese Erdbeere. Die ist schön reif.« Er bückte sich kurz, zupfte die Frucht und reichte sie dem Kind, das den Tausch jetzt juchzend quittierte.
»Dann wollen wir es versuchen. Ich schlage vor, wir postieren auf beiden Landzungen Geschütze, die das Schiff aus dem Wasser fegen, wenn es in die Schlucht einläuft. Auf dem Klippenkamm stellen wir ein paar Nächte hintereinander Männer auf, die ihn gebührend empfangen, wenn er herauskommt.«
»Godfrey Channing hat sich Eurer Expedition wohl nicht angeschlossen?«, erkundigte sich Cato.
»Nein. Dasselbe fragte mich auch Hammond. Channing scheint wie vom Erdboden verschluckt.«
»Sehr sonderbar. Man sollte Suchtrupps ausschicken. Vielleicht hatte er einen Unfall.«
Aber keinen der Art, den ihr euch vorstellen könnt, dachte Olivia flüchtig, als sie sich von ihrem Hochsitz aus fast den Hals verrenkte, um zu sehen, dass sie auf den Rasen hinaustraten.
Vorsichtig kletterte sie hinunter und versuchte, das eben Gehörte zu verdauen. Der König war in ein anderes Gefängnis gebracht worden. Heute Abend wollte Anthony dem König bei der Flucht aus Carisbrooke helfen, doch befand sich der König nicht mehr dort, sondern in Newport. Und die
Wind Dancer
, die ahnungslos Puckaster Cove ansteuerte, würde direkt vor die Mündungen der inzwischen in Stellung gebrachten Geschütze segeln.
Sie war erschöpft; die schlaflose Nacht und der bittere Schmerz ihrer endgültigen Trennung schien sie zu überwältigen. Doch durfte sie nicht aufgeben. Irgendwie musste sie Anthony warnen. Aber wie sollte sie das schaffen? Sie hatte keine Ahnung, was er momentan tat. Da er seine Pläne geändert hatte, war zu vermuten, dass es zusätzliche Vorbereitungen zu treffen galt. Zu seinem Schiff hatte er nicht gewollt, wo also konnte er hin sein?
Sie lief auf leisen Sohlen zwischen den Baumreihen zur Rasenfläche, wo Gebüsche die Grenze des Obstgartens markierten. Aus dieser Deckung überblickte sie die Szene auf dem Rasen. Phoebe und Portia lagerten im Schatten einer Eiche, während die Kinder im Zierteich plantschten und ausgelassen schreiend unter den Strahl des Springbrunnens liefen, gejagt von Juno, die aufgeregt mit ihrem buschigen Schwanz wedelte. Cato und Rufus, die sich zu den Frauen gesellt hatten, standen plaudernd unter dem Baum.
Olivia hätte zu gern gewusst, ob von ihr gesprochen wurde. Ihre Abwesenheit würde gewiss zu Bemerkungen Anlass geben. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass dies noch eine Rolle spielen würde, sobald Anthony in Sicherheit war. Doch war er es nicht. Sie zwang sich, klar zu denken. In korrekter Kleidung hätte sie einfach zwischen den Bäumen hervortreten und sagen können, sie hätte einen längeren Spaziergang gemacht und wäre eingeschlafen … das hätten sie sicher geschluckt. So aber musste sie sich umziehen und konnte dann erst ihren nächsten Schritt planen.
Juno rannte im Kreis, ihrem Schweif mit ausgelassener Begeisterung nachjagend. Olivia nahm einen Stock und schleuderte ihn dem Hund entgegen.
Sofort war der Hund abgelenkt. Er schnappte nach dem Stock und lief schwanzwedelnd zum Obstgarten, neugierig, welches Spiel ihn erwartete.
Juno ließ den Stock zu Olivias Füßen fallen und blickte erwartungsvoll zu ihr auf. »Hol Portia«, befahl Olivia eindringlich und bückte sich, um den Hund zu tätscheln. »Lauf und hol Portia.«
Junos glänzende Augen sahen sie klug an, ohne dass das Tier sich von der Stelle gerührt hätte. Es schnappte stattdessen nach dem Stock und ließ ihn sofort erwartungsvoll wieder fallen.
»Dummer Hund«, schalt Olivia. »Du weißt, was >Lauf und hol< heißt, und du weißt, wer Portia ist.«
Juno stieß ein kurzes, aufmunterndes Kläffen aus.
Olivia fasste nach dem Halsband, und Juno versuchte sich loszureißen. Olivia packte fester zu, worauf Juno empört zu bellen anfing, knappe, verzweifelte, japsende Töne, die höchstes Unbehagen signalisierten.
Olivia ließ nicht los und betete darum, Portia möge kommen und nachsehen, was ihrer geliebten Juno zugestoßen war. Sie betete auch darum, es würde Portia sein, die käme, und nicht eines der Kinder oder, schlimmer noch, Rufus.
Sie beobachtete die Gruppe unter dem Baum und hielt Juno fest, die sich nun mit aller Kraft loszureißen suchte und immer lauter und drängender kläffte. Portia blickte
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