Die Braut des Piraten
suchend um sich, dann stand sie auf und ging über den Rasen.
»Juno? Juno? Was ist denn?«
»Ich halte sie fest«, rief Olivia ihr halblaut durch das Buschwerk zu. »Komm in den Obstgarten.«
Portia zwängte sich durch das Gesträuch, als Olivia Juno losließ. Die Hündin warf sich vor Freude jaulend ihrer Herrin entgegen, als hätte sie diese eine Ewigkeit nicht gesehen.
»Allmächtiger, Olivia! Wo warst du?« Portia starrte sie ungläubig an. »Wir waren schon am Ende unserer Weisheit und wussten nicht, wie wir deine Abwesenheit erklären sollten. Was hast du getrieben? Schrecklich siehst du aus.«
»Ich fühle mich auch schrecklich. Die Einzelheiten kann ich jetzt nicht erzählen. Und ich kann mich so nicht zeigen. Könntest du mir etwas zum Umziehen bringen? Dann könnte ich einfach auftauchen und sagen, ich wäre zeitig aufgestanden und hätte einen langen Spaziergang unternommen.«
»Was geht da vor?«
»Das kann ich jetzt nicht sagen. Aber bitte hole mir etwas zum Umziehen, damit ich hier herauskann.«
»Sicher handelt es sich um Piratengeschichten«, schloss Portia scharf. »Ich darf wohl nicht erwarten, dass du mir etwas verrätst?«
»Nein«, erwiderte Olivia, die ruhig dem Blick ihrer Freundin begegnete.
Portia nickte und lief davon, dicht gefolgt von der ausgelassen tollenden Juno.
Olivia harrte ungeduldig hinter den Sträuchern aus. Sie beobachtete mit Erleichterung, dass Cato und Rufus, die lachend den nassen Kindern auswichen, zurück ins Haus strebten und Phoebe allein ließen. Portia erschien kurz darauf in der Seitentür. Sie blieb bei Phoebe stehen, und Olivia sah deren erschrockenen Blick in ihre Richtung wandern. Einen Korb über dem Arm, so wanderte Portia nun mit größter Unbefangenheit dem Obstgarten zu.
»Damit kommst du ins Haus, Kleine.« Sie reichte Olivia den Korb. »Aber du siehst katastrophal aus. Dein Haar ist wie ein Vogelnest, und schmutzig bist du obendrein. Du musst dich irgendwie zurechtmachen, sonst erkennt dich niemand.«
»Ich war gestern im Unwetter draußen«, erklärte Olivia, die Wams und Breeches auszog. »Ich wurde nass, und dann war ich in einer Sandbucht…« Ihr Blut geriet bei der Erinnerung in Wallung, einer Erinnerung, so lebhaft, dass sie seinen Körper fast riechen und schmecken und fühlen konnte. Hastig zog sie das schlichte Kleid aus bedruckter Baumwolle über den Kopf, das Portia ihr gebracht hatte. Als es heruntergezogen und zugeknöpft war, hatte sie ihre Fassung wieder erlangt.
»Hast du Schuhe mitgebracht?«
»Nein, die vergaß ich. Aber deine Stiefel verschwinden unter dem Kleid. Du musst ja nur ins Haus schlüpfen.«
»Danke.« Olivia stopfte Breeches und Wams in den Korb. »Ich komme später zu euch auf den Rasen.« Im Vorübergehen wechselte sie nur einen kurzen Blick mit Phoebe. Durch eine Seitentür betrat sie das Haus, senkte den Kopf, als sie auf der Treppe einem Mädchen begegnete, und erreichte die sichere Zuflucht ihres Schlafgemachs.
Sie besah sich im kleinen Spiegel. Wirklich grauenhaft, wie sie aussah! Ihr Haar war verfilzt, und bei dem Versuch, es durchzubürsten, rieselte Sand auf den Frisiertisch.
Kaum war sie in Sicherheit, als Erschöpfung sie übermannte. Allein die Anstrengung, ihre Arme zu heben und ihr Haar zu bürsten, war fast zu viel. Sie sank aufs Bett, um sich die Stiefel auszuziehen, schleuderte sie dann von sich und ließ sich zurücksinken. Sie wollte nur einige Minuten Ruhe und Frieden auskosten und sich den nächsten Schritt überlegen.
Prompt schlief sie ein, den Kopf auf dem Kissen, die Beine über der Bettkante.
Olivia erwachte mit einem Ruck, unsicher, wie lange sie geschlafen hatte. Sie warf einen Blick zum Fenster und sah erschrocken, dass die Sonne schon tief stand. Nach wie vor waren die Stimmen der Kinder vom Rasen unter dem Fenster zu hören.
Sie setzte sich auf. Hinter ihren Augen hatte sie ein raues Gefühl, ihre Glieder waren so schwer, als wäre sie aus tiefer Betäubung erwacht. Wie viel Zeit hatte sie mit Schlafen vergeudet?
Sie kämpfte sich vom Bett hoch und ging ans Fenster. Die Szene im Garten war unverändert, nur die Schatten waren länger. Die Kinder plantschten noch immer im Wasser; Portia und Phoebe saßen in der Nähe unter einem Baum. Cato und Rufus waren nirgends zu sehen.
Olivia erfrischte ihr Gesicht mit kaltem Wasser und nahm ihr Haar erneut in Angriff. Sie schaffte es, den Sand herauszubürsten und das wirre Durcheinander zu flechten. Dann säuberte sie ihre
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