Die Braut des Piraten
Busen hoch, und sie atmete pfeifend ein. Er aber sagte nichts und fuhr ruhig in seiner Lektion fort, während er die Hand unbeirrt in die sanfte Wölbung drückte.
»Wollt Ihr ein Dessert?«
»Ja«, sagte Olivia und tat fast einen Sprung, um dem Arm, der sie umfing, zu entkommen. »Was für eines?«
»Einen Rhabarberauflauf.« Adam stellte eine Auflaufform und einen Krug mit dicker Sahne auf den Tisch. »Herrgott, was für ein Appetit«, murmelte er, als er die spärlichen Reste auf dem Tisch sah.
»Es war ganz ausgezeichnet.« Olivia setzte sich und griff nach dem Dessertlöffel. Ihr Herz schlug zu schnell und sie glaubte, dass ihre Stimme ein wenig piepsig klang, als sie mit gespieltem Gleichmut fragte: »Wollt Ihr ein wenig Nachtisch, Anthony?«
Er kam zurück an den Tisch. »Komisch, aber ich dachte, die Faszination der Astronomie würde Eure Aufmerksamkeit länger fesseln. Aber andererseits macht niemand so gute Rhabarberaufläufe wie Adam.«
Olivia häufte sich eine große Portion auf ihren Teller und gab keine Antwort. Sie hatte das Gefühl, von allem, was bislang in ihrem Leben Sinn gemacht hatte, losgelöst zu sein. Und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie wusste nur, dass ihr Blut in den Adern brauste, und dass sie sich trotz aller Verwirrung lebendiger fühlte als je zuvor.
Kapitel 4
»Also, was besagt die Nachricht?« Der Mann, der die Frage stellte, führte einen Fidibus an seine Pfeife, worauf der würzige Geruch starken Tabaks den Schankraum durchzog.
»Wenn wir die Fracht verkaufen wollen, kommt er Ende der Woche in den Anker.«
»Und woher weiß er, dass es etwas zu verkaufen gibt?« Der Fragesteller war jung, hatte dunkles Haar und einen gebräunten Teint. Er trug einen Anzug aus türkisfarbener Seide, seine kunstvollen Locken fielen ihm im Kavaliersstil bis auf die Schultern und glänzten vor Pomade. Er zog in dem verräucherten Raum an seiner Pfeife und betrachtete sein Gegenüber mit kalten, grünen Augen.
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Das ist wohl kein Geheimnis, Sir. Die Nachricht kam gleich am Morgen danach. Ich dachte, Ihr würdet es wissen wollen.«
»Natürlich will ich es wissen!« Die wohlerzogene Stimme ließ einen kläffenden Unterton hören. »Wir brauchen Kundschaft, du Dummkopf. Aber woher sollen wir wissen, dass es keine Falle ist?«
Der andere zog die Schultern hoch und zündete sich seine eigene Pfeife mit extrem übel riechendem Tabak an.
»Weiß nicht Sir. Das ist Eure Sache. Unsere ist es, Ware zu beschaffen.«
Angesichts dieser Wahrheit schwieg der junge Mann. »Hat niemand herumgeschnüffelt?«, fragte er schließlich. »Keine sonderbaren Fragen?«
»Nein, Sir. In der bewussten Nacht war es stockfinster, zudem gab es ein Unwetter. Das Schiff könnte von selbst auf Grund gelaufen sein. Aber die ganze Insel glaubt, dass Wrackräuber es in die Falle Jockten. Man kann es nur nicht beweisen.«
»Und wer die Sachen kauft, weiß, dass es Wrackraub war«, überlegte der junge Mann. »Und er wusste, an wen er sich wenden musste. Wer brachte die Nachricht?«
»Der hatte keinen Namen, Sir. Er war total vermummt und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Obwohl es eine heiße Nacht war«, setzte der Mann nachdenklich hinzu. »Aber er war ein Einheimischer. Sprach wie die Leute auf der Insel hier.«
»Hmm. Wirt, bring mir einen Humpen Porter«, brüllte der junge Mann plötzlich durch den Raum.
»Sehr wohl, Sir.« Der Wirt des Anker, der das Gespräch mitgehört hatte, das für ihn keine Geheimnisse barg, knallte einen übervollen Humpen auf die Theke vor den Gast. »Ich warte schon dringend auf meine Kisten, Sir«, sagte er mit wenig überzeugendem Jammerton. »Weiß man, wann ich sie kriegen könnte?«
»Du bekommst sie, wenn ich sie habe«, sagte der andere barsch und griff zum Humpen. Er nahm einen tiefen Schluck und beobachtete, wie sein Pfeifenrauch gekräuselt zu den geschwärzten Deckenbalken aufstieg. Seit über einer Woche erwartete er eine Lieferung von der französischen Küste, und allmählich wuchsen seine Befürchtungen, dass dem Schiff etwas zugestoßen war. Der Kapitän hatte sich zwar immer verlässlich gezeigt, doch war das Schmugglergeschäft alles andere als sicher, mit ein Grund, weshalb jene, die auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen waren und ihre moralischen Skrupel verdrängen konnten, ihr Schmuggelgewerbe durch Wrackraub ergänzten. Godfrey, Lord Channing, war noch nie von moralischen Skrupeln geplagt
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