Die Braut des Piraten
Godfrey hinausgegangen war.
»Weißt du, was ich glaube …« Silas starrte gebannt auf die Flaschen hinter der Theke. »Willst du wissen, was ich glaube?«
»Vielleicht, wenn du dich aufraffst und damit herausrückst.«
»George, ich meine, du tätest gut daran, dich mit deinen Bestellungen an unseren Freund und nicht an diesen Kleiderständer zu wenden.«
»Ja, schon möglich«, antwortete der Wirt. »Aber sag mir eines, Silas. Ist es besser, sich mit einem habgierigen Narren einzulassen oder mit einem Mann, der so gefährlich und gerissen ist wie unser Freund? Das frage ich mich dauernd.«
»Aber du wirst es dir sicher nicht mit unserem Freund verscherzen wollen«, pflichtete Silas ernst bei. »Einen Idioten kann man immer austricksen.«
»Ja, und ihm Angst einjagen. Das wiederum schaffe ich wohl nicht mit unserem Freund.«
»Nein.« Silas schüttelte energisch den Kopf. »Neuerdings hält es unser Freund wohl nicht mehr so mit der Schmuggelei, oder? Früher gab es nicht ein Schiff, das von der Insel nach Frankreich auslief, ohne dass er seine Hand darauf hatte, aber jetzt gibt es für ihn wohl Besseres zu tun.«
Er starrte in seinen Humpen, ehe er fortfuhr: »Wenn natürlich einer ein Fass Cognak und ein Stückchen Valencienne-Spitze für seine Frau möchte, dann kann unser Freund sie ihm sicher beschaffen. Aber sein eigentliches Geschäft ist es nicht mehr.« Er blickte nachdenklich auf. »Meinst du, dass unser Freund unter die Wrackräuber ging? Das zahlt sich besser aus als Schmuggel.«
»Möglich, aber sicher weiß man es nicht. Das sind Leute, die eisern schweigen«, erklärte George. Er tippte an seine Nase und blinzelte. »Wie dem auch sei, ich wette, dass unser Freund es auf die Ladung des jungen Lords abgesehen hat. Er ist so gerissen, dass es ihm ähnlich sähe, jemanden anderen die schmutzige Arbeit für sich tun zu lassen.«
»Könnte gut sein«, meinte Silas dazu.
Die zwei tranken darauf und verfielen in nachdenkliches Schweigen.
»Warum geht Ihr jetzt nicht hinunter? Ihr könnt ja kaum die Augen offen halten.« Der Pirat lehnte sich zurück, ein Glas Cognak in Händen und betrachtete Olivia mit der Andeutung eines Lächelns.
Olivia unterdrückte ein Gähnen. Es stimmte, sie war sehr schläfrig. Die Reste des Mahles waren abserviert, und während Anthony sich seinen Cognak zu Gemüte führte, war sie zur Melodie des Windes in der Takelung und den Schiffsbewegungen auf dem sanften Wellengang des nächtlichen Meeres halb eingeschlafen.
»Es ist ein vollkommener Abend«, sagte sie mit einem Blick zum Himmel. »Vom Land aus sieht man nie solche Sterne.«
»Nein.«
»Wann werden wir einen Hafen anlaufen?«
»Bei günstigem Wind werden wir morgen Mittag Land sichten.«
»Und? Wird er günstig sein?«
Er zog die Schultern hoch und lächelte. »Schwer zu sagen. Der Wind ist eine wankelmütige Geliebte.« Leise rief er den Steuermann an: »Jethro, was meinst du? Wird der Wind günstig sein?«
»Gegen Morgen könnte er nachlassen.« »Was soll ich zu Hause nur sagen?« Olivia stützte ihr Kinn in die Hände. »Wie soll ich alles erklären?«
»Befassen wir uns doch damit, wenn es so weit ist.« Anthony beugte sich über sie und strich mit einer Fingerspitze über ihr Wangenrund. »Olivia, habt Ihr es so eilig, Euch aus der Verzauberung zu lösen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber dies ist nur ein Traum, aus dem ich einmal erwachen muss.«
»Ja, das müsst Ihr. Aber nicht vor morgen Mittag.«
»Ich nehme an, es wäre wenig sinnvoll, schon zu erwachen, da ich noch immer entführt werde«, bemerkte Olivia ernst.
»Genau … Geht jetzt zu Bett.«
Olivia schob ihren Stuhl zurück und erhob sich zögernd. »Ich möchte unter freiem Himmel schlafen.«
»Ihr würdet frieren.«
»Auch mit Decken?«
Olivia zögerte noch immer und musterte ihn, wie er lässig dasaß, den Cognak im Glas schwankend. Er erwiderte ihren Blick, mit diesem tiefen Lächeln in seinen Augen, und mit noch etwas, das sie nicht deuten konnte. Es war eine Verheißung irgendwelcher Art. Sie spürte ein Beben in ihrem Inneren, eine merkwürdige Spannung in ihren Schenkeln.
Sie drehte sich zu den Stufen um, die zum Hauptdeck hinunterführten. »Gute Nacht.«
Er erwiderte ihren Abschied nicht.
Die Kabine war geputzt und aufgeräumt worden, die Laterne über dem Bett brannte und warf einen weichen goldenen Schein über das glänzende Holz und die satten Farben der Orientteppiche. Die Fenster waren geschlossen, die
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