Die Braut des Piraten
Braten.«
»Mylady Olivia …« Anthony schob mit einer förmlichen Verbeugung einen Stuhl für sie zurecht.
Olivia konnte nicht widerstehen und vollführte einen angedeuteten Knicks, innerlich über ihre nackten Füße und das sonderbare Gewand lachend. Der Herr der
Wind Dancer
schien genau zu wissen, wie er ihre Stimmung verändern konnte. Mit einem Wort, einer Geste, einem Lächeln entlockte er ihr jede gewünschte Reaktion. Während ein Teil von ihr diese Manipulation allerdings ablehnte, war ein anderer Teil bezaubert.
Adam stellte eine Platte auf den Tisch, auf der sich Hammelbratenscheiben, mit Knoblauchzehen und Rosmarinzweigen gewürzt, türmten. Dazu gab es Kartoffel in der Schale gebraten und grünen Salat mit Pilzen.
»Ach«, sagte Olivia. »Ich glaube, dass ich noch nie so hungrig war.«
»Na, dann esst langsam«, warnte Anthony sie. »Ihr habt seit drei Tagen nichts zu Euch genommen. Ihr wollt sicher nicht, dass Euch übel wird.«
»Mir kann unmöglich übel werden«, sagte Olivia und spießte ein Stück Hammelfleisch auf ihre Gabel. »Es riecht so wundervoll. Adam, Ihr seid ein Genie.«
Die Miene des älteren Mannes wurde weich, er verzog den Mund. »Der Herr hat Recht«, sagte er muffig. »Euer Magen ist sicher eingeschrumpft.«
Olivia schüttelte den Kopf in heiterer Ablehnung und biss tüchtig vom Fleisch ab. Es schmeckte so herrlich, wie es duftete. Sie verzehrte eine mit Butter angereicherte Kartoffel und wischte sich mit dem Handrücken das Fett vom Kinn, zu hungrig, um sich der praktischen Serviette auf ihrem Schoß zu entsinnen.
Anthony füllte ihre Gläser nach und beobachtete Olivia. Ihre deftige Genussfreude, mit der sie sich dem Essen widmete, hatte etwas unbestritten Sinnliches an sich. Er musste daran denken, mit welchem Elan sie sich über die Netzbrücke zwischen der
Wind Dancer
und der
Dona Elena
geschwungen hatte, um das Scharmützel mitzuerleben. Es war, als hätte Olivia Granville, fern von allem, das sie behütet und umgeben hatte, ein neues Ich entdeckt. Würde sie diese unverhüllte Genussfreude auch im Bett zeigen?, fragte er sich.
Ein Lächeln berührte seine Lippen, als er an ihre Ankündigung, sie würde ledig bleiben, dachte. Eine absurde Absicht für eine junge Frau ihrer Herkunft. Und doch wird sie es vielleicht schaffen, dachte er, als er ihre Haltung beobachtete, die Festigkeit ihres Mundes, ihr entschlossenes Kinn. Das alles verriet Olivia Granvilles Hang zur Selbstständigkeit.
»Was seht Ihr mich so an?«, fragte Olivia, die plötzlich spürte, wie er sie musterte.
»Ach, ich genoss Euer Genießen mit«, griente er, lehnte sich zurück und führte sein Glas an die Lippen. »Man sieht nur selten, dass eine wohlerzogene junge Dame ihr Dinner mit einer solchen Gier verschlingt.«
Olivia errötete. »War ich gierig?«
»Nein.« Er beugte sich vor, um ihr noch eine Kartoffel auf den Teller zu legen. »Ich fragte mich nur, was Ihr sonst noch mit solcher Begeisterung verschlingt.«
Olivia platzierte reichlich Butter auf die Kartoffel und sah zu, wie sie schmolz. »Bücher«, sagte sie. »Ich verschlinge Bücher.«
»Ja, das weiß ich.«
»In Eurer Kabine befindet sich eine stattliche Bibliothek. Wo seid Ihr zur Schule gegangen?« Olivia freute sich über die kluge Frage, von der sie hoffte, dass sie ihr einen Hinweis auf den Hintergrund des Freibeuters verschaffen würde.
Anthony lächelte nur. »Ich lehrte mich alles selbst.«
Olivia sah ihn an. »Das glaube ich nicht.«
Er zuckte mit den Schultern. »Wie es Euch beliebt.« Er griff nach ihrem Glas, um nachzuschenken. »Soll ich Euch zeigen, wie man nach Gestirnen navigiert?«
Diese Aussicht war zu interessant, als dass sie weiter in ihn gedrungen wäre. Olivia nickte begeistert.
»Dann kommt her.« Er stand mit seinem Glas auf und ging zum Steuermann, hinter dem er Aufstellung nahm. Er legte einen Arm um Olivias Taille und zog sie nach hinten, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand. »Also, seht Ihr den Polarstern?«
Olivia versuchte, seinen Hinweisen zu folgen, diesmal aber schien ihr scharfer Verstand benebelt zu sein. Sie war sich des Körpers in ihrem Rücken bewusst, der Wärme seines Armes um ihre Taille, des weingeschwängerten Atems, der über ihre Wange strich, als er ihr die Sternbilder erklärte. Die Gestirne schienen zu verschmelzen, und sie kam sich sehr dumm vor, als sie darum kämpfte, für sie ansonsten ganz simple Inhalte zu erfassen.
Die Hand um ihre Taille stahl sich zu ihrem
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