Die Braut des Shawnee-Kriegers
sie in Gedanken die Möglichkeiten durch, verwarf die einen als zu umständlich und die anderen als zu gefährlich. Doch dann, als sie eines Tages zwei Krieger auf zwei bildschönen Pferden vorbeireiten sah, fasste sie einen Plan.
Wenn sich die Gelegenheit bot, musste sie irgendwie an ein Pferd kommen. Der Rest wäre dann einfach, sie bräuchte sich nur heimlich ein paar Vorräte zu beschaffen und vielleicht eine Waffe. Mit etwas Glück konnte sie zu Pferde Fort Pitt in ein paar Tagen erreichen.
Inzwischen hatte sie allerdings einsehen müssen, dass die Flucht wohl doch nicht so einfach sein würde. Ebenso wie die kostbaren Pferde wurde sie ständig bewacht. Es blieb ihr nichts anderes übrig als abzuwarten, damit sie den richtigen Augenblick nicht verpasste. Sie beschloss, sich in Geduld zu fassen. Und während sie auf ein Pferd wartete, würde sie noch weitere Fluchtmöglichkeiten auskundschaften. Früher oder später würde sich eine Chance bieten.
Ihre Tage waren eine einzige, nicht enden wollende Plackerei. Ihr blieb kaum Zeit, den Blick von der Arbeit zu heben. Swan Feather sorgte dafür, dass sie vom frühen Morgen bis zum Abend beschäftigt war. Sie musste Mais zu Mehl verarbeiten, Kräuter sortieren, Mokassins flicken und das kleine Stück Land jäten, wo Swan Feather ihren Kräutergarten angelegt hatte.
Viel schlimmer jedoch als die Einförmigkeit ihrer Tage war der Furcht einflößende Gedanke, dass die Shawnee ihr jederzeit etwas Grausames antun könnten. Diese Vorstellung zerrte an ihren Nerven, so dass Clarissa jeden Abend am Ende ihrer Kraft war und völlig erschöpft auf ihr Bett aus Bisonfellen sank. Jeder Knochen, jede Sehne und jeder Muskel schmerzten schier unerträglich. Als ob das nicht genug wäre, strich Swan Feather ihr dann immer noch eine übel riechende Salbe aus Kräutern und Bärenfett ins Gesicht. Das Zeug stank so scheußlich, dass Clarissa würgen musste, aber zumindest begann ihr Gesicht zu heilen. Die hässlichen Grinde blätterten ab, und es blieb einigermaßen glatte, wenn auch spürbar vernarbte Haut zurück.
Das Gesicht der Tapferkeit. Das waren Wolf Hearts Worte gewesen. Welche Ironie! Das makellose Gesicht der Feigheit wäre ihr allemal lieber gewesen. Was für ein Glück, dass es an diesem gottverlassenen Ort keine Spiegel gab!
Ihr verdrecktes Kleid, das sie Tag und Nacht trug, wurde immer fadenscheiniger, und ihr verschwitztes Unterzeug rieb ihre zarte Haut wund.
Swan Feather hatte ihr ein abgelegtes Paar Mokassins gebracht. Clarissa hatte sie an den Spitzen mit Gras ausgestopft, damit sie ihren wunden Füßen passten. Doch niemand hatte ihr Ersatz für ihr Kleid angeboten. Genau genommen hatte sich niemand außer Swan Feather überhaupt um sie gekümmert. Es schien, als wäre sie unsichtbar.
Andererseits, waren Sklaven nicht von Natur aus unsichtbar? Sie konnte sich ja selbst kaum noch an Jane erinnern, das spindeldünne Negermädchen, das während ihrer Kindheit in Baltimore im Dienst ihrer Familie gestanden hatte. Jane hatte die grobe Wäsche gewaschen und Mrs. Pimm in der Küche geholfen, doch sie war kaum mehr als ein Schatten im Haus gewesen. War Jane unglücklich gewesen? Hatte sie nachts um ihre verlorene afrikanische Heimat in ihr Kissen geweint? Niemand im Haus hatte es gewusst oder sich darum gekümmert.
Zum ersten Mal im Leben konnte Clarissa sich vorstellen, wie Jane sich gefühlt haben musste.
Am achten Tag ihrer Gefangenschaft erwachte Clarissa mit dem ihr hinlänglich bekannten Gefühl warmer Feuchtigkeit zwischen den Schenkeln. "Das Übel", wie Mrs. Pimm es zu nennen pflegte, hatte sich wieder eingestellt.
Mit einem verdrossenen Seufzer setzte sie sich auf und riss einen weiteren Streifen von ihrem schon arg malträtierten Unterrock. Musste das nun auch noch sein! Hatte sie nicht schon genug Probleme? Musste ihr eigener Körper ihr noch zusätzliche aufladen?
Während sie den Stoff zu einem Polster zusammenfaltete, fragte sie sich verzweifelt, wie sie es an Ort und Stelle halten sollte. In diesem Augenblick kam Swan Feather herein, die hinter der Hütte einem menschlichen Bedürfnis nachgegangen war. Clarissa drehte sich zur Wand, weil es ihr peinlich war, doch die alte Indianerin begriff sofort.
Sie kniff die schwarzen Augen zusammen, und Clarissa machte sich auf eine Strafe gefasst, als Swan Feather auf sie zuschoss. Es ist nicht meine Schuld, wollte sie rufen. Ich kann es doch nicht verhindern. Keine Frau kann das.
Sie zwang sich, nicht
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