Die Braut des Shawnee-Kriegers
erfasste ihn. "Dann geht es ihr gut?" fragte er so beiläufig wie möglich.
"Es geht ihr gut, und sie ist stark. Eine gute Arbeiterin. Aber sie ist wütend, voller Zorn."
"Dieser Zorn hat ihr die Kraft zum Überleben gegeben."
"Das mag wohl sein. Aber Zorn in zu vielen Nächten ist nicht gut." Die alte Frau ließ Wolf Hearts Arm los. "Bald, vielleicht schon heute, wird sie ihren Mond beendet haben. Dann wirst du sie wieder sehen."
Bevor Wolf Heart antworten konnte, umspannte sie sein Handgelenk mit ihren rauen Fingern. "Hör mir zu, Sohn meiner Freundin, in den vielen Jahren meines Lebens habe ich eine Reihe weißer Gefangener unseres Volkes gesehen. Manche, so wie du, vergessen ihr altes Leben und werden Shawnee durch und durch. Andere …" Ein trauriger Ausdruck huschte über ihr Gesicht. "Andere werden es nie. Sie verzehren sich vor Sehnsucht und sterben vor Kummer. Oder sie hören nie auf, Fluchtpläne zu schmieden. Hast du gehört, was ich gesagt habe?"
Wolf Heart schaute in ihre klugen Augen. Sie war so klein und verschrumpelt, dass er sie wie ein Kind hätte hochheben können, aber was Mut und Weisheit betraf, war sie vielen überlegen.
"Ich habe es gehört", murmelte er. Er wusste nur zu gut, was sie ihm hatte sagen wollen.
"Hat es auch dein Herz gehört? Ist es bereit, es zu hören?"
Das Pfeifen einer Walddrossel brach das Schweigen, das sich über die beiden Menschen gesenkt hatte. Am nördlichen Himmel strebte eine V-förmige Schar Wildgänse ihrem Sommerziel zu, begleitet von ihren heiseren Schreien.
"Du bist ein tapferer Krieger und ein Anführer", fuhr Swan Feather fort, als er nicht antwortete. "Unser Volk wird einen starken Kriegshäuptling brauchen." Sie kniff die Augen zusammen. "So jemand braucht eine aufrechte, loyale Frau an seiner Seite."
"Wenn die Zeit reif ist, werde ich eine Shawnee wählen. Ich habe dem Rat mein Wort gegeben."
"Und du bist ein Mann, der sein Wort hält." Swan Feather nickte ernst, aber in ihren dunklen Augen blitzte es auf.
Ein gewisses Unbehagen stieg in Wolf Heart auf. Was wollte die alte Frau ihm noch mitteilen? "Ich hole jetzt das Fleisch für dich." Er wandte sich zum Gehen. "Und die Rehhaut."
"Zwei, wenn du sie erübrigen kannst", bat Swan Feather. "Ich denke, ich werde sie brauchen."
"Dann bekommst du zwei, und wenn ich mich mit Cat Follower darum prügeln muss." Er zwang sich zu einem Lächeln und machte sich auf den Weg zu der Stelle, wo er sein Pferd angebunden hatte.
"Wolf Heart!"
Gehorsam wandte er sich um und sah die alte Frau allein im Schatten ihrer Hütte stehen. Sie wirkte so schmal und gebrechlich, dass er plötzlich das Gefühl hatte, es würden nicht mehr viele Monde sein, in denen sie ihn mit ihrer Weisheit und Güte begleitete.
"Beurteile mich nicht zu streng, Sohn meiner Freundin, bis du verstehst, weshalb ich so spreche", sagte sie sanft. "Ich habe schon begonnen, dieses Mädchen zu lieben wie eine eigene Tochter. Aber dich liebe ich noch mehr. Und ich sehe Kummer auf euch zukommen. Stell nicht dein Herz über deinen Verstand."
"Ich bin kein Narr", versicherte Wolf Heart, aber die Röte, die ihm ins Gesicht stieg, strafte seine Worte Lügen.
" We-sah!" Sie wandte sich zum Gehen. "Bei allem, was dir heilig ist, hüte dich davor, einer zu werden."
7. Kapitel
Am Morgen des fünften Tages trat Clarissa aus der warmen Dunkelheit der Mondhütte. Sie fühlte sich wie ein Schmetterling, der seinen Kokon verlässt. Die vergangenen Tage waren wundervoll gewesen: Sie hatte auf den weichen Häuten und Decken tief und friedlich geschlafen und die würzigen Eintöpfe und knusprigen Maiskuchen genossen, die Swan Feather und die anderen Frauen jeden Abend zur Mondhütte brachten. Stundenlang hatte sie geduldig ausgeharrt, wenn die beiden jungen Shawnee-Mädchen sich mit ihrem Haar beschäftigten. Sie kämmten und flochten es oder schmückten es mit Perlen und Federn, die sie mitgebracht hatten. Immer wenn sie sich etwas Neues ausdachten, lachten und kicherten sie voll Entzücken.
Clarissa hatte ein halbes Dutzend neuer Spiele mit Schnüren, Knochen und Stöckchen erlernt und so viele neue Worte erfahren, dass die Unterhaltung um sie herum allmählich Sinn bekam. Und sie hatte verstanden, dass in der Welt der Shawnee der natürliche Zyklus des Frauenkörpers kein Übel war, sondern ein Geschenk.
" Peh-eh-wah! Komm mit!" Das hübschere der beiden Mädchen, die mit ihr in der Hütte gewesen waren, ergriff sie am Arm und zog sie hügelab in
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