Die Braut des Silberfinders - historischer Roman
Handelsweg zwischen Hildesheim und Goslar weder von einer
nennenswerten Siedlung gesäumt noch von einer größeren Straße gekreuzt wurde,
musste das Mädchen gemeinsam mit den Schmieden erst kürzlich, frühestens am
gestrigen Tage, in Goslar eingetroffen sein. Sie wussten nun, wie sie sich zu
kleiden oder besser zu verkleiden pflegte, daher sollte es ihnen ein Leichtes sein,
sie aufzuspüren, mochte die Stadt auch noch so groß sein.
Wie man sich doch irren konnte.
Kaum am Stadttor angelangt, befragte Robert
die Wächter nach den Kupferschmieden und dem Mädchen. Osman hielt sich derweil
dezent im Hintergrund, eingedenk seines exotischen Aussehens hätten sie ihm
ohnedies nichts erzählt. Leider stieß auch Robert auf Ablehnung. In Hildesheim
kannte sie ein jeder, daher begegnete man ihnen dort freundlich und
zuvorkommend, hier in Goslar jedoch waren sie Fremde, und zwei zwielichtig
aussehende noch dazu. Ein Riese und ein Morgenländer, gewandet in Kleidern, die
offenbar ebenso lange kein Wasser mehr gesehen hatten wie ihre Träger, waren in
jenen unsicheren, von Kreuzzügen gebeutelten Zeiten alles andere als gern
gesehene Gäste. Es bedurfte schon eines Griffes in die Geldkatze und einer
derart großzügigen Belohnung, um die Wachmänner gesprächiger zu machen, dass
Osman die Zornesröte ins Gesicht stieg. Die Schmiede seien erst gestern Abend
eingetroffen, ließen sie sich nun entlocken, und das dreckstarrende Mädchen mit
den eingewickelten Haaren sei auch bei ihnen gewesen. Mehr war jedoch nicht von
ihnen zu erfahren. So wussten sie weder etwas über den weiteren Verbleib der
Schmiede, geschweige denn den des Mädchens zu berichten.
»Immerhin wissen wir jetzt, dass sie erst
gestern durch dieses Tor kam und in wessen Begleitung sie war. Es sollte doch
mit dem Teufel zugehen, wenn wir das Aas nun nicht bald finden!«
»Wenn alle derart die Hand aufhalten,
werden wir nicht viele befragen können«, zischte Osman, der sich offenbar noch
immer nicht beruhigt hatte.
Osmans Befürchtung sollte sich nicht
bewahrheiten. Die meisten Goslarer gaben, ohne etwas zu verlangen, bereitwillig
Auskunft, und rasch hatten sie die Kupferschmiede aufgespürt. Vom Mädchen
jedoch fehlte weiterhin jede Spur. Sie hätten es aufgelesen, einige Tagesritte
westlich von Hildesheim, sagte einer von ihnen, und liebend gerne hätte der
eine oder andere auch engere Bande geknüpft, doch sie ließ keinen näher an sich
heran. Also trennten sich ihre Wege, kaum dass sie Goslarer Boden betraten.
Niemand fragte die Fremde, wo sie hinwolle, sie hätte ohnehin keine Antwort
gegeben, so verschlossen wie sie war.
Beinahe meinten Robert und Osman, der
falschen Frau gefolgt zu sein, denn als verschlossen hatte sie beileibe keiner
von ihnen in Erinnerung behalten, doch als der Schmied sie als ungewöhnlich
groß mit auffallend hellblauen Augen, Sommersprossen und rotem Haar beschrieb,
waren ihre Befürchtungen rasch wieder vergessen.
Hätte ihnen nun jemand gesagt, dass ihre
Mission, so kurz vorm ersehnten Ziel, doch noch scheitern sollte, hätten sie
ihm keinen Glauben geschenkt.
Aber genau so geschah es.
Am zehnten August, also vor nahezu drei
Wochen, sollten sie das letzte Mal mit jemandem sprechen, der die Gesuchte zu
Gesicht bekommen hatte, danach verlor sich ihre Spur. Niemand wollte sie
seitdem gesehen haben, weder die Wachleute an den Stadttoren noch die
zahlreichen anderen Goslarer Bürger. Und wenn auch kein Torwächter das Mädchen
beim Verlassen der Stadt gesehen hatte, mussten Robert und Osman nach so langer
vergeblicher Suche dennoch davon ausgehen, dass sie weitergezogen war. Welcher
Wachsoldat schaute schon so genau bei denjenigen hin, die der Stadt den Rücken
kehrten.
Doch wohin nur war sie unterwegs?
So wenig Möglichkeiten der Reisende
zwischen Hildesheim und Goslar auch hatte, den Hellweg zu verlassen, so viele
eröffneten sich ihm, wenn er erst einmal in Goslar war. Er konnte zum einen in
östlicher Richtung zur Harzburg aufbrechen, ebenso gab es eine Straße nach
Sehusa, Brunswiek oder weiter in den Harz hinein nach Klausthal. Zwecklos also,
ohne jeden Hinweis weiterzuziehen.
Und so kam es, dass sie in Goslar blieben,
auf die vage Hoffnung hin, vielleicht in nächster Zeit doch noch etwas in Erfahrung
zu bringen. Wo sollten sie auch hin?
Osmans Pferd hatte inzwischen das Zeitliche
gesegnet, ein Wunder, dass es ihn überhaupt nach Goslar getragen hatte. Roberts
Stute hingegen litt offenbar nicht am Alter, sondern
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