Die Braut des Wuestenprinzen
ihr blondes Haar nicht sah, wirkte sie in der Kleidung, die sie trug, wie eine Frau aus dem Dorf.
Inzwischen erhellte die Sonne schon fast das gesamte Tal. Aber der Wald war nicht mehr allzu weit entfernt. Noch einmal beschleunigte Elenor ihren Schritt.
Wann hatte es angefangen? Natürlich hatte sie gewusst, dass Karim sich nach Ablauf des Monats wieder seinen Pflichten zuwenden musste und die Flitterwochen nicht ewig dauerten. Aber sie hatte nicht mit einer so abrupten Änderung gerechnet. Zunächst zogen sie um. Anstelle des gemütlichen Hochzeitsgemachs bewohnten sie nun frisch hergerichtete Zimmer im neueren Teil des Palasts. Nachdem Elenor vorher rund um die Uhr mit ihm zusammen gewesen war, sah sie Karim jetzt kaum noch. Er kam und ging ohne Erklärung, manchmal blieb er tagelang weg. Wenn er nach Hause kam, war er müde und ungesprächig.
Zuerst hatte sie ihn gefragt und ihm ihre Hilfe angeboten. Doch er wollte nicht mit ihr über seine Arbeit reden. Elenor nahm an, dass es sich um geheime Staatsangelegenheiten handelte, und bohrte nicht weiter. Stattdessen versuchte sie, ihn aufzuheitern, indem sie ihm erzählte, was sie gemacht und erlebt hatte. Aber auch diesen Versuch einer Annäherung wies er zurück. „Mein Bülbül“, pflegte er dann stets mit einem nachsichtigen Lächeln zu sagen, und Elenor musste einsehen, dass ihr Geplapper ihn beim Nachdenken störte.
Karims Abwesenheit führt dazu, dass Elenor sich einsam fühlte, und bald genauso still wurde wie er. Was gab es schon zu sagen? Er war ein Mann des Orients, für den Frauen nur eine untergeordnete Rolle spielten.
Ihn zu fragen, was für Arbeit sie sich hier suchen könnte, hatte sie schon lange aufgegeben. „Nicht jetzt, Nuri. Du musst die Ereignisse erst einmal abwarten“, antwortete er regelmäßig darauf.
Bald blieb ihnen einzig der Sex als Kommunikationsmittel. Und mit Elenors wachsender Verbitterung schwand das Gefühl, um ihrer selbst willen geschätzt oder gar geliebt zu werden.
Eines Tages erfuhr sie endlich, was ihn die ganze Zeit über so geplagt hatte. Sie fand es heraus, als sie ausnahmsweise einmal miteinander aßen.
„Es wird wohl das Beste sein, wenn ich mir demnächst eine Unterkunft in Shahriallah suche“, sagte sie.
Daraufhin sah er sie erstaunt an. „ Chi migueyeed? “, sagte er dann. „Was sagst du da?“
„Falls es dir entgangen sein sollte: Das Semester fängt bald an, und ich muss mich noch gründlich darauf vorbereiten.“
Erst jetzt erfuhr sie, dass genau genommen bereits Krieg zwischen Parvan und Kaljukistan herrschte. Am Rande der parvanischen Wüste waren bereits kaljukische Feldlager errichtet worden. Die Grenzen zwischen den Ländern waren geschlossen. Und selbst ohne all dies – als parvanische Kronprinzessin konnte sie nicht nach Kaljukistan gehen, wo man sie sicherlich in Geiselhaft genommen hätte.
„Um Himmels willen, Kavi, was passiert denn jetzt?“ Aus ihrem Studium wusste Elenor, wie viel Macht und Geld hinter der neu gegründeten islamischen Republik Kaljukistan stand. Parvan hingegen war nur auf sich selbst und die Entschlossenheit seiner Bewohner angewiesen.
„Sie werden diesen Krieg nicht gewinnen“, erwiderte Karim, „aber er wird sehr verlustreich für uns sein.“ Elenor sah, wie sehr er litt, und ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie ging um den Tisch herum und kniete sich neben ihn.
„Es muss doch irgendetwas geben, was ich tun kann!“, flüsterte sie und streckte die Hand aus, um seine Wange zu streicheln. Seit Tagen war es das erste Mal, dass sie ihn liebkosen wollte, doch er griff nach ihrer Hand, küsste sie flüchtig und ließ sie zurück in Elenors Schoß sinken.
„Momentan gibt es nichts, was du tun kannst. Bleib im Palast, hier bist du sicher.“ Damit stand er auf. „Ich muss gehen.“
Damals wäre ihr nie in den Sinn gekommen, nach England zurückzukehren und das Studium fortzusetzen. Wenn sein Land in einen Krieg verwickelt war, brauchte Karim ihre Hilfe. Trotz allem war ihr Platz an seiner Seite.
Zunächst verbarg er sich hinter den Steinen. Dann schlich er zu den Pferden und gab seinem Rappen mit einem sanften Druck auf die Nase zu verstehen, dass er still sein sollte. Rasch legte er ihm das Zaumzeug an, für den Sattel blieb nicht genügend Zeit.
Dann wartete er, bis sie das Wäldchen erreichte. Da erst trieb er sein Pferd an. Bald würde sie ihn herannahen hören. Vielleicht würde sie versuchen zu fliehen, aber sie konnte ihm nicht entkommen.
Im
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