Die Braut im Schnee
ist nicht dein Ernst. Du kennst den Mann auf dem Bild doch selbst, oder etwa nicht?»
«Elvira, ich würde mir nicht die Mühe machen, dir eine Nachricht zu schreiben, wenn ich es wüsste.»
«Schau ihn dir bitte nochmal an. Denk dir die Sonnenbrille und den Bart weg. Denk dir die Haare kürzer und den ganzen Mann ein wenig älter. Bitte!»
Marthaler starrte das Foto an, aber noch immer wusste er nicht, um wen es sich handelte. Er reichte die Aufnahme an seine Kollegen weiter.
«Leute, Leute», sagte Elvira, die allmählich die Geduld verlor, «ihr seid vielleicht Spürnasen. Es ist Steinwachs, Raimund Steinwachs vom 8. Revier. Ich habe vor vielen Jahren mal auf einem Betriebsfest mit ihm getanzt. Damals sah er genauso aus wie auf dem Foto.»
Marthaler war wie vom Donner gerührt. Mit einem Mal wurde alles klar. Das war die eine Information, die ihnen gefehlt hatte. Er brauchte eine Weile, bis er seine Gedanken geordnet hatte.
Dann war er sich sicher. Es gab keinen Zweifel mehr.
«Du hast mit einem Mörder getanzt», sagte er.
Die anderen schauten ihn verwundert an.
Marthaler begann zu erklären: «Toller ist tot. Er war es nicht. Wir sind in die richtige Richtung gegangen, haben aber den falschen Weg genommen. Als wir uns sicher waren, dass es ein Polizist sein musste, haben wir nicht länger überlegt. Das war unser Fehler. Steinwachs und Toller waren beste Freunde. Wahrscheinlich war Steinwachs über jeden unserer Schritte informiert, weil Toller ihm alles erzählte. Der Mann, den wir suchen, heißt Raimund Steinwachs. Toller hatte vermutlich mit der Sache irgendwie zu tun. Wir wissen nur noch nicht, wie.»
«Wir wissen es», sagte Sabato. «Jedenfalls können wir es ahnen. Es gibt nämlich noch eine Neuigkeit.»
Sabato legte ein kleines schwarzes Buch auf den Tisch. «Das war in einer der Kisten, die die Spurensicherung letzte Nacht aus Tollers Wohnung geholt hat und deren Inhalt ich untersuchen sollte. Es handelt sich um das private Adressbuch von Gabriele Hasler. Ihr erinnert euch, dass wir uns lange gewundert haben, dass wir bei ihr nichts dergleichen gefunden haben. Da ist es. Wahrscheinlich hat es Toller schon an sich genommen, als er und Steinwachs zum Haus der Zahnärztin gefahren sind.»
«Aber warum hat er das getan?»
«Abwarten», sagte Sabato, «die Antwort kommt sofort. Das war noch nicht das Ende meiner Neuigkeit. Ich habe in dem Buch geblättert und bin auf ein Kürzel gestoßen, das mir verdammt bekannt vorkam: die Buchstaben HJH. Sagt euch das was?»
«Bitte nicht schon wieder ein Preisrätsel», sagte Marthaler. «Dafür fehlt uns die Zeit.»
«Es sind die Initialen vom Chef. Hans-Jürgen Herrmann», sagte Elvira, die noch immer im Türrahmen stand. «So unterschreibt er seine dienstlichen Notizen.»
«Genau», sagte Sabato. «Ich habe die Nummer, die hinter dem Kürzel stand, angerufen. Es war ein Volltreffer. Am anderen Ende meldete sich Herrmanns privater Anrufbeantworter.»
«Das heißt, er kannte Gabriele Hasler. Davon hat er uns nie etwas erzählt», sagte Manfred Petersen.
«Dreimal darfst du raten, warum», sagte Kai Döring. «Er hat genauso geschwiegen wie ihre anderen Freier. Er war einer ihrer Kunden.»
«Und Toller hat das gewusst», ergänzte Sabato. «Jetzt dürfte auch klar sein, warum sein Aufstieg zum Kriminalpolizisten so rasch vonstatten ging.»
«All das werden wir schon herausbekommen», sagte Marthaler. «Aber jetzt müssen wir handeln. Wir müssen Steinwachs finden, um Kerstin zu finden. Als wir ihn gestern sprechen wollten, war er nicht zu Hause. Angeblich hat er Urlaub genommen. Wir versuchen es noch einmal. Aber diesmal gehen wir in das Haus, auch wenn uns niemand öffnet.»
Eine halbe Stunde später standen sie vor dem Neubau in Nieder-Eschbach. Alle Rollläden waren heruntergelassen, aber aus dem Inneren des Hauses hörte man laute Musik.
«Es ist das Stück, das sie immer bei den Boxkämpfen spielen», sagte Petersen.
«Ja», erwiderte Marthaler, «es ist aus den Carmina Burana.»
Sie klingelten, aber niemand öffnete. Sie gingen um das Haus herum und klopften an die Rollläden, aber es tat sichnichts. Marthaler nahm ein Megaphon und forderte Steinwachs mehrmals auf, das Haus zu verlassen. Wieder blieb eine Reaktion aus.
«Gut», sagte Marthaler, «dann bestellt das SEK und einen Krankenwagen. Sie sollen auf dem schnellsten Weg herkommen. Wir wissen nicht, was uns dadrinnen erwartet. Und lasst sofort die Siedlung absperren. Seht zu,
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