Die Braut von Rosecliff
ap Lloyd aufsetzen. Meine Schrift kann sich durchaus mit der eines professionel len Schreibers messen.«
Er betrachtete sinnend seine Nichte, die einzige Erbin seines Bruders. Sie war mutig, das konnte niemand bestreiten. Und sie war intelligent, wesentlich gebildeter als er selbst. Das ve r dankte sie Newlin, doch Clyde befürchtete manchmal, dass der Wissens durst, den der Barde in ihr entfacht hatte, sich als Fluch erweisen und sie nur unglücklich machen wür de. Wissen war schön und gut, verführte aber auch zum Träumen, und in unsicheren Zeiten musste man praktisch denken. Diese bittere Lehre konnte er Josse lyn jetzt leider nicht länger ersparen.
Als er ihre Hilfe durch ein kurzes Nicken akzep tierte, läche l te sie zufrieden, aber er wusste, dass ihre Freude von kurzer Dauer sein würde.
»Ich grüße dich, Madoc ap Lloyd«, diktierte er lang sam, und die Feder glitt kratzend über das teure Per gament. Josselyn hatte nicht geprahlt – ihre Schrift war wirklich ebenmäßig, und sie verunzierte den Brief durch keinen einzigen Tinte n klecks.
»… Zeit, uns gegen den gemeinsamen Feind zu ver einigen. Um sicher zu stellen, dass der Frieden zwischen unseren Familien dieses Mal von Dauer sein wird, würde ich gern eine bestimmte Angel e genheit mit dir besprechen, die in der Vergange n heit noch nie erörtert wurde.«
Als er eine längere Pause einlegte, schaute Joss e lyn auf. Das Licht der Öllampe zauberte einen goldenen Schimmer auf ihr Gesicht. Sie hatte die Schönheit ihrer Mutter geerbt, dachte Clyde nicht zum ersten Mal. Dichtes schwarzes Haar, eine zarte Haut… Gepaart war dieses liebliche Äußere mit dem Charakter ihres Vaters, seiner Impulsiv i tät, seinem Wagemut. Wenn überhaupt irgendeine Frau Madocs heißbl ü tigen Sohn zähmen oder seine überschüssigen Energien wenigstens in vernünftige Bahnen lenken konnte, so schien Josselyn dafür prädestiniert.
Trotzdem war Clyde alles andere als glücklich über das, was er tun musste. Das Mädchen schaute ihn mit großen Augen forschend an – mit den strahlend blauen Augen seines versto r benen Bruders.
»Was ist das denn für eine Angelegenheit?«, wollte es wissen.
»Nun, es geht um einen dauerhaften Frieden zwi schen unserer Familie und den Lloyds«, antwo r tete er ausweichend.
»Ja, aber wie willst du ihn gewährleisten? Du weißt doch g e nau, was passieren wird – sobald wir mit vereinten Kräften die Engländer vertrieben haben, wer den die Lloyds uns wieder bestehlen und Unruhe stif ten. Man kann ihnen einfach nicht ve r trauen.«
»Deshalb schweben mir Ehebande zwischen den beiden F a milien vor«, gab Clyde zu.
Josselyn hielt seinem Blick stand, aber ihre A u gen weiteten sich ein wenig, als sie begriff, was er damit sagen wollte, und sie atmete etwas schneller, verlor allerdings nicht die Beher r schung.
»Du willst, dass ich Owain heirate?«, fragte sie mit gepresster Stimme.
Clyde nickte. »Wenn du damit einverstanden bist… Die Trauerzeit hat er jetzt hinter sich, und er wird seinem Sohn eine neue Mutter geben wollen. Wahrscheinlich wünscht er sich auch weitere Kinder.«
Sie holte tief Luft, tauchte die Feder ins Tinte n fass und warf mit gerunzelter Stirn einen Blick auf den sorgfältig geschrieb e nen Brief. »Möchtest du noch et was hinzufügen?«
»Nein.«
Während ihr Onkel den Brief unterschrieb, schmolz sie etwas Wachs, und er versiegelte das Schreiben mit seinem Siegelring. Josselyn nahm ihre ganze Kraft zusammen, um sich nicht a n merken zu lassen, wie verstört sie über seine Ankündigung war. Wenn es um die Zukunft ihres Landes ging, musste sie ihre Ängste überwinden. Das war allerdings nicht so ein fach, wie es sich anhörte…
Owain ap Madoc war ein Rohling, ein übler Schl ä gertyp, der für die Leute von Carreg Du eine ständige Bedrohung darstellte, so lange sie denken konnte. Er hatte vor nicht allzu langer Zeit seine Frau verloren, und die Pläne ihres Onkels entbehrten nicht der Logik, das musste sie zugeben. Immerhin war es be ruhigend zu wissen, dass sie sich weigern konnte. Keine w a lisische Frau wurde gezwungen, einen Mann zu heiraten, der ihr total zuwider war.
Und Owain war ihr total zuwider. Sie kannte ihn fast nur vom Hörensagen, denn persönlich bege g net war sie ihm nur vier Mal. Doch das hatte vollauf genügt, um sie davon zu überzeugen, dass er einen abscheulichen Charakter hatte.
Zum ersten Mal hatte sie ihn als Kind bei einem Erntedan k fest in Carreg Du gesehen.
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