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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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nicht, weil ich ihnen schaden könnte.
    Der Wächter brachte ihm einen Arm voller Kleider, sah ihn aber wieder nicht an. » Für die Gesellschaft heute abend … «, murmelte er.
    Alejandro stand regungslos da und forderte den Mann im stillen heraus, ihm in die Augen zu sehen. Bitter fragte er sich: Was glauben sie denn zu finden – irgendein exotisches Tier von unvorstellbar abscheulichem Äußeren? Sein Groll wuchs von Sekunde zu Sekunde. Fürchtet Ihr, daß ich mit dem Gesichtsausdruck gottloser Lust meine erigierte Männlichkeit in der Hand halte? Oder soll ich die Zähne fletschen und Euch zeigen, daß sie vom Blut christlicher Säuglinge triefen, wie Eure Priester von uns Juden behaupten? Er schleuderte die Kleidungsstücke mit Schwung beiseite, und der Diener verließ rasch die Kammer.
    Mißmutig sah Alejandro sich die Gaben an. De Chauliac hatte ihm eine ansehnliche Auswahl gesandt, die in ihm den demütigenden Gedanken hervorrief: Man muß sein Spielzeug immer auf die bestmögliche Weise präsentieren. Da gab es eine Tunika aus feinem blauen Leinen und elegante Kniehosen. Er hielt sich die Sachen an; sie sahen aus, als paßten sie ihm genau. Er fragte sich kurz, ob de Chauliac in der Nacht womöglich einen Schneider geschickt hatte, der ihm die Maße abnahm, während er schlief.
    Aber das soll mich nicht stören, dachte er mit einem grimmigen Lächeln, denn wenn ich fliehe, werde ich ein erstaunlich eleganter Flü chtling sein.
     
    Charles von Navarra nahm den Brief entgegen, den der Page des Barons de Coucy ihm rei chte, und entließ den Boten mit einer raschen Handbewegung. Das rote Siegel erkannte er jetzt auf den ersten Blick, denn es prangte in letzter Zeit auf zahllosen Briefen an ihn. Wieder eine Mitteilung meines Verbündeten in Paris. Wenn man an all die Pferde dachte, die ihre tägliche Korrespondenz beförderten! Es war eine sündhafte Verschwendung, aber notwendig. Mit eifrigem Interesse las er Marcels Worte:
     
    L etzte Nacht ist Guillaume Karle hier eingetroffen, wie Ihr vorhergesagt hattet. Ich halte ihn für einen besonders intelligenten Menschen, wenn auch etwas übereifrig; aber seine Leidenschaft ist auf Revolte gerichtet und kann uns nur von Nutzen sein. Zu meiner Überraschung befindet er sich in Begleitung eines jungen Mädchens; ich nehme an, daß sie ihm mit ihrem Liebreiz ein großer Trost ist, und welchem Mann kann man verübeln, daß er sich in solchen Zeiten von einer Frau verwöhnen läßt? Wir müssen schließlich auch unsere Erholung haben. Zu meiner Freude kann ich Euch berichten, daß er sich durch sie nicht von seinen aufrührerischen Plänen ablenken läßt; seine Hingabe an die Sache scheint ungeheuer. Nach sorgfältiger Prüfung bin ich zu dem Schluß gelangt, daß er mit entsprechender Überzeugungsarbeit durchaus eine Armee von Bauern um sich sammeln kann, die unsere Sache fördern.
    Doch ich bedaure, Euch mitteilen zu müssen – was Euch gewiß nicht überraschen wird –, daß er Euch mit derselben Leidenschaft verabscheut, mit der er die Freiheit liebt. Und wenn das, was er mir von Euren Eskapaden auf dem Lande berichtet, wahr ist, dann kann ich ihm dieses Gefühl nicht verübeln. Vielleicht, werter Herr, solltet Ihr über Eure Maßnahmen gegen die Bauernschaft noch einmal nachdenken. Macht ihnen Schwierigkeiten, denn damit müssen sie rechnen – aber schlachtet sie nicht mit so offenkundiger Begeisterung ab! Ihr solltet auch jene Edelleute, die Euch unterstützen, dazu bewegen, sich zu mäßigen.
    Außerdem bitte ich Euch, über die Verfolgung von Karle selbst noch einmal nachzudenken – denn es würde uns nur schaden, wenn er tot wäre oder in Ketten läge. Für den Augenblick nützt er uns mehr, wenn er auf unserer Seite gegen jene stünde, die Euch Euer Recht vorenthalten wollen. Wenn Ihr sowohl ihn als auch die Anhänger des Königs bekämpft, werden unsere Kräfte unnötig gespalten.
    Natürlich muß ein solcher Aufschub von Zeit zu Zeit überdacht werden, und wenn Ihr ihn, nachdem Ihr den Euch zustehenden Platz eingenommen habt, zu bedrohlich findet, dann solltet Ihr das Nötige unternehmen, um Eure Stellung zu sichern.
     
    D er Brief enthielt noch einige weitere Mitteilungen, aber keine davon war auch nur annähernd so wichtig wie die erste. » Ich bin mit diesem Provost Marcel sehr zufrieden «, teilte er später Baron de Coucy mit.
    Aber er tut diese Dinge nicht aus Loyalität mir gegenüber, dachte Navarra, sondern weil er denkt, daß er zu guter

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