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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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«
    » Woher hat er dieses Wissen? «
    » Père studiert alles, was er sieht. Manche Dinge, die er sich nur vorstellen kann, studiert er, indem er gründlich über sie nachdenkt. Er ist ein sehr gelehrter Mann, wie er Euch andeutete, hat einem Papst gedient, bei den berühmtesten Professoren studiert und sich um die Gesundheit von … eh … vielen wichtigen Menschen gekümmert. « Bei den letzten paar Worten geriet sie ins Stocken und wandte kurz den Blick ab, um sich zu fassen.
    Aber wenn ihre Bemerkungen Karle neugierig gemacht hatten, gab er sich Mühe, es nicht zu zeigen, und als sie ihre Haltung zurückgewonnen hatte, zeigte sie ihm ein Quadrat aus feingewebter Seide.
    » Jeder von uns hat so etwas bei sich, um das zu reinigen, was wir trinken. Wenn es uns möglich ist, erhitzen wir das Wasser sogar. «
    » Um Gottes willen, wozu denn? Das nimmt dem Wasser doch seine Lebenskraft. «
    Ihre Lippen produzierten ein schmales Lächeln. » Kennt Ihr ein Tier, groß oder klein, das es überlebt, gekocht zu werden? «
    » Hmm «, brummte er. » Nein. «
    Allmählich plagte ihn seine Neugier ohne Unterlaß; er hatte eine Menge unausgesprochener Fragen. Das waren ziemlich kühne Behauptungen – einem Papst zu dienen, von unsichtbaren kleinen Tieren im Wasser zu wissen … Der père dieser Kate schien kein gewöhnlicher Mann zu sein. Aber er beschloß, seine Fragen zurückzustellen, bis sie ihm mehr vertraute; denn gewiß würde sie eher die Wahrheit sagen, sobald er ihr Vertrauen gewonnen hatte. Er überlegte, wie er diesen Vorgang beschleunigen könnte. Zeige Interesse, dachte er plötzlich. Dem können Frauen – Mädchen – nicht widerstehen, und es löst ihnen die Zunge. Seine Schlauheit erfreute ihn sehr. » Und hat Euch das von Euren Darmbeschwerden geheilt? «
    » Das kann ich nicht sagen «, meinte sie wegwerfend, » denn ich habe keine. «
    Karle sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er kannte fast niemanden, der nicht gelegentlich Anfälle von Dysenterie oder Diarrhöe hatte, vor allem in diesen Kriegszeiten, in denen Flüsse und Bäche oft rot von Blut und alle Brunnen verdächtig waren. » Und Ihr seiht all Euer Wasser durch dieses – Tuch? «
    » Jawohl! « Sie reichte es ihm. » Seht nur, wie fein es gewebt ist;
    Père sagt, daß es vom Ende der Welt kommt, aus einem Land, das Nippon heißt, wo es so gewöhnlich ist wie unsere gröbste Wolle. Hier kostet es hingegen sehr viel, und ich möchte es ungern verlieren. All die unreinen Tiere fangen sich in seinem Gewebe. Ich koche das Tuch selbst aus, so oft ich Gelegenheit dazu habe. «
    » Bemerkenswert «, staunte Karle. Er brauchte kein Interesse an ihrem Geplauder zu heucheln – es war abenteuerlich genug, um seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Er gab ihr das Tüchlein zurück.
    » Ich habe nie zuvor so ein Wunder gesehen. «
    » Père weiß viele Dinge, die sonst niemand weiß «, pries sie ihn.
    » Er scheint in der Tat ein ungewöhnlicher Mann zu sein. «
    Kate seufzte und wischte sich ein Auge. » Mehr, als Ihr Euch vorstellen könnt. Er ist ein wahrhaft großer Heiler. « Sie sah Karle direkt in die Augen und forderte ihn mit einer Geschichte heraus, von der sie wußte, daß er sie zögernd akzeptieren würde. » Er hat mich von der Pest gerettet, als ich sieben war. Und dann hat er sich selbst gesund gemacht, als er krank wurde. «
    Das war in der Tat eine Offenbarung. Karle starrte sie fassungslos an und flüsterte: » Ihr habt die Pest überlebt? «
    Sie legte das Seidentuch in ihren Schoß und nahm langsam ihr Umschlagtuch ab. Sie zeigte seinen begierigen Augen ihren langen weißen Hals und wies auf eine Reihe kleiner Narben, um die herum die Haut etwas blasser war, unverkennbar Narben von Pestbeulen.
    Ihr père hatte auch eine Narbe auf der Brust, die indessen anders aussah – ich habe sie bemerkt, als er sich wusch, dachte Karle.
    » Aber – wie? « stotterte er.
    » Er hat mir eine faulig schmeckende Medizin eingeflößt und bei mir gewacht – nach zwei Wochen war ich geheilt. «
    Diese Behauptungen überstiegen seine Fassungskräfte. Doch sie trug die Narben; soviel stand fest. Zögernd streckte er die Hand nach ihrem Hals aus und fragte sich, ob sie ihm gestatten würde, die Haut zu berühren, doch sie wehrte seine Hand nicht ab. Er spürte mit seinen eigenen Fingerspitzen die Verhärtungen. » Verzeiht mir diese Vertraulichkeit «, sagte er, als er die Hand wieder zurückzog , » aber ich tue mich schwer mit Eurer Geschichte. Noch nie

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