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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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seinen Geist aushauchte. » Von dem hier werden wir wohl nichts mehr erfahren. «
    Der Ritter sah in angespanntem Schweigen zu, wie sein König mit nervöser, explosiver Energie in der kleinen Hütte auf und ab trampelte. Navarra war so gereizt, daß es schmerzte, ihm zuzusehen. Er stieß leise und erleichtert den Atem aus, als der König endlich innehielt und stehenblieb.
    Navarras Augen waren auf einem Gegenstand zur Ruhe gekommen, der nicht in diese Hütte zu passen schien – einem massiven, mit Messing eingefaßten Buch, das neben dem Herd lag. Er kniete davor nieder und öffnete den Deckel. Dann winkte er dem Ritter, er solle näher kommen.
    » Was haltet Ihr davon? « fragte er argwöhnisch.
    » Sire, was soll ich davon halten? Es ist irgendeine heidnische Schrift. Ich kenne mich mit diesem Gekritzel nicht aus. «
    Charles von Navarra blätterte eine Seite um. » Ich habe solche Schriften schon gesehen. Das ist die Hand eines Juden. «
    Der junge Ritter schien verwirrt. » Kann es denn in der Gegend noch welche geben? «
    » Keine, von denen ich wüßte «, antwortete Navarra. » Aber Karle hat es anscheinend geschafft, einen zu finden. Und er ist zu ihm gekommen, um Trost zu suchen. So eine Verbindung paßt zu dem Mann, der er geworden ist – ein Liebhaber von Ackerbauern, Bettlern und Wäscherinnen. Nicht mehr als angemessen, daß er jetzt auch die Juden liebt! «
    Doch das Buch lieferte keine Antwort auf die Frage, wohin seine Beute geflohen war; also ließ Charles von Navarra es achtlos liegen. Nachdem er gegen den abgetrennten Arm getreten und auf den sterbenden Soldaten gespuckt hatte, stampfte er endlich aus der Hütte und ging zu seinem Pferd. Mit einem eleganten Schwung saß er auf, ergriff die Zügel und galoppierte davon.
    Der junge Ritter sah ihm bestürzt nach, denn er wußte, Charles ’ militärische Berater würden ihn züchtigen, weil er diesen eigenmächtigen Ausritt gestattet hatte. Und die Edelleute, die sich mit Charles verbündet hatten, würden ihm verübeln, daß er es ihrem Anführer ermöglichte, Karles vermutetes Versteck ohne Schutz aufzusuchen. Er eilte aus der Hütte, ohne die Tür hinter sich zu schließen, und schwang sich auf sein eigenes Roß. In langsame m T rott folgte er seinem Herrn und ließ dem König von Navarra seinen Vorsprung, damit der Staub von dessen raschem Ritt sich vor ihm legte. Sollten die anderen doch ihn zuerst verunglimpfen, wenn sie wollten – er war einfach nicht Manns genug, um den gebieterischen Charles von seinen frechen Husarenstückchen abzuhalten. Sie würden seine Festung für den Geschmack des Ritters ohnehin viel zu bald erreichen, selbst wenn sie im Schneckentempo dahinschlichen.
     
    E rst als eine ganze Zeit lang Stille geherrscht hatte, wagte Alejandro die Planke über seinem dunklen Erdkeller anzuheben, und als er endlich wieder ans Tageslicht kam, sah er schnell, daß es zu spät war, um noch irgend etwas für den armen Verstümmelten zu tun. Was jetzt von der bedauernswerten Seele übrig war, glich eher einem Baumstamm als einem Menschen. Der Arm, den Charles von Navarra ihm abgeschlagen hatte, lag staubbedeckt unter dem Tisch und begann, die Fliegen anzuziehen. Der armlose Soldat lag sterbend da, aber irgendwie atmete er noch immer.
    Wir klammern uns, wenn alle Hoffnung verloren ist, an das Trugbild von ihr, sinnierte Alejandro traurig. Welche Schrecken hat er vor Augen? fragte er sich, während er bei dem vom Schicksal Geschlagenen stand, der vielleicht einmal große Tapferkeit bewiesen hatte – einem Mann, dem es gelungen war, das zu überleben, was der Franzose Karle vor wenigen Stunden als äußerst blutige Schlacht beschrieb.
    Möge es Gott gefallen, daß ich solch einen Schrecken niemals kennenlerne! Wieder einmal stellte er seinen hippokratischen Eid hintan und zog das Messer, das er immer in seinem Stiefel trug – das gute Messer von seinem Vater aus Spanien damals. » Ich empfehle Euch Eurem Herrn der Gnade «, flüsterte er dem Sterbenden zu, dann stieß er ihm rasch das Messer ins Herz. Er hauchte sein Leben aus, noch bevor Alejandro das Messer reinigen und wieder in den Stiefel stecken konnte.
    » Und nun auf nach Paris «, sagte er laut – der Klang seiner Stimme überraschte ihn. Wenn Gott gut und Guillaume Karle ein Mann war, der sein Wort hielt, dann würde er Kate dort finden, an dem Ort, den sie so oft aufgesucht hatten, als sie ein Kind und noch begierig gewesen war, alles von ihm zu lernen, das er ihr beibringe n

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