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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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k onnte. Er zerrte die Satteltasche aus dem Erdloch und legte sie vor sich auf den Boden. Sie enthielt sein Vermögen – das Gold seiner Familie, das Gold des Papstes, das Gold von König Edward, auf einem Jahrzehnt der Flucht kaum angerührt. Genug Gold, um die Straßen von Paris mit zarten, feingewebten Damengewändern zu bedecken – wenn solche denn zu finden waren. Die wenige Nahrung, die er hatte, steckte er in die Tasche und erhob sich dann zum Aufbruch. Als er einen letzten Blick in die Runde warf, sah er das schwere Manuskript, das noch neben dem Herd lag.
    Er würde nicht wieder ein Buch zurücklassen, wie er es getan hatte, als er aus England floh. Geheimnisse, wie dieses Buch sie enthielt, durften nicht in falsche Hände geraten.
     
    K arle war überrascht, aber nicht unglücklich, als Kate ihm als Ort des Wiedersehens Paris nannte.
    » Aber warum dort? « fragte er. » Ich nehme an, daß Ihr und Euer père ebenso auf der Flucht seid wie ich. Mir erscheint Paris als Treffpunkt gefährlich. «
    » Das stimmt «, räumte sie ein. » Aber in diesen Zeiten konnten wir nie sicher sein, daß irgendein anderer Ort noch existieren würde. Wie viele verbrannte Dörfer und verwüstete Burgen habt Ihr auf dem Lande gesehen? Zahllose. Könnte dasselbe mit Paris passieren? Niemals. Paris wird immer bestehen. Und ich werde immer fähig sein, mich dort zurechtzufinden. Alle Wege führen nach Paris, sagt Père. «
    » Alle Wege führen nach Rom, zumindest sagt das die Legende. «
    » Ach, das war vor Hunderten von Jahren. Als Rom noch seinen Ruhm besaß. Heutzutage ist Paris der Mittelpunkt der Welt. Zumindest behaupten das diejenigen, die auf diese Stadt schwören. Und ich kenne einige Teile der Metropole sehr gut. «
    » Wie kommt es, daß Ihr mit Paris so vertraut seid? « fragt Guillaume Karle.
    » Wir haben dort viel Zeit verbracht, als ich ein Mädchen war. «
    » Mir war nicht bewußt, daß Ihr kein Mädchen mehr seid «, wies er sie zurecht. » Außerdem fürchte ich, Ihr werdet Paris seit Eurem letzten Besuch dort sehr verändert finden. «
    » Ich bin siebzehn «, sagt e sie mit erhobenem Kinn, »und die Herrin von P è res Haushalt.«
    »Hmmm!« Karle blies durch die Nase. »Soweit im Augenblick von einem Haushalt die Rede s ein kann. «
    Vorwurfsvoll drohte sie ihm mit dem Finger. » Unser Haushalt war gut genug, um Euch und Euren Männern ein Dach überm Kopf zu bieten. Und jetzt werden wir, falls ich Père finde, dank Eures ungebetenen Besuchs gezwungen sein, ein neues Heim zu finden. «
    Angemessen zerknirscht gab Karle keine Antwort. Sie rasteten an einem Bach, während ihre Pferde tranken – Pferde, die Karle aus dem Stall eines örtlichen Gutsherrn befreit hatte, während Kate, die bei diesem Diebstahl unfreiwillig als Komplizin dienen mußte, draußen Wache stand. Während der Tat war er sehr nervös gewesen – denn er fragte sich unwillkürlich, was sie wohl getan hätte, wenn sie ertappt worden wären – wie sie sich gegen einen empörten Stallknecht gewehrt hätte. Hätte sie ihn mit ihren weißen Händen, ihren feingliedrigen Fingern erwürgt? Oder ihn mit ihrem zarten Fuß in seine Männlichkeit getreten?
    Unwahrscheinlich, dachte er. Bestenfalls hätte sie einen Warnschrei ausgestoßen. Aber sie waren noch einmal davongekommen, und jetzt hielt Karle ein wachsames Auge auf die unrechtmäßig erworbenen Tiere, denn sie waren ihm nicht vertraut und daher schwer einschätzbar. Geduldig wartete er, bis die Pferde ihren Durst gestillt hatten, und band sie an einen Baum, bevor er sich selbst erfrischte.
    Dann tauchte er die hohlen Hände in das Wasser des schnell fließenden Baches und wollte die Flüssigkeit an seinen Mund führen; doch Kate legte ihm eine Hand auf den Arm und hinderte ihn daran. » Wascht Euch nur. Bevor wir es trinken, müssen wir das Wasser durch ein Tuch seihen. «
    Er ließ das kühle Naß durch seine Finger rinnen. » Was ist das für ein Unsinn? «
    » Überhaupt kein Unsinn, sondern Weisheit. «
    » Merkwürdige Weisheit « , maulte er. » Und hierzulande nicht Brauch «, fügte er argwöhnisch hinzu.
    » Es gibt winzige Tiere, die in allen Gewässern leben «, erklärte Kate ihm. » Père sagt das. Er sagt, viele Menschen mit kranken Bäuchen hätten diese Beschwerden, weil sie nicht auf das Wasser achten, das sie trinken. «
    Karle warf ihr einen ungläubigen Blick zu. » Und – hat er diese Tiere gesehen oder nur davon geträumt? «
    » Er weiß, daß sie da sind.

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