Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
der Dunkelheit eine Mörsergranate, eine Panzerfaust oder einfach ein paar Schüsse abfeuerte, damit man sich nicht langweilte.
An diesem Abend hatte es Tobias – oder Roddam – so gedreht, dass sie vom Wachdienst abgelöst waren und zu acht in Tobias’ Wohncontainer saßen – er, Tobias, Roddam, Kramer, Harlan, Mallak, Patchett und Bacci. Nach zwei Bieren zur Einstimmung ergriff Tobias das Wort. Er erzählte ihnen von Hale, dessen weiteres Leben eine einzige Quälerei sein würde, bestenfalls. Er berichtete von anderen Jungs, die er kannte. Er erklärte, dass Männer darum kämpfen mussten, damit sie ihr Geld von der Sozialhilfe, der Veteranenadministration oder sonst woher bekamen, dass die VA Keys, dem zweiten Bordschützen, der durch Patchett ersetzt worden war, sämtliche Ansprüche auf sein verlorenes Bein verwehrt und ihm mitgeteilt hatte, dass er nur sechzig Prozent Behindertenrente bekomme. Keys habe sich an die Presse gewandt, worauf sein Satz erhöht worden sei, aber nur, um ihn ruhigzustellen. Er habe Glück gehabt, doch es gebe viele andere Verwundete, die nicht so viel Glück beziehungsweise eine verständnisvolle Zeitung an der Hand gehabt hätten, die sich ihres Falles annahm. Tobias sagte, Roddam wolle ihnen einen Vorschlag machen, und wenn sie damit einverstanden wären, könnten sie einigen verwundeten Brüdern und Schwestern helfen und sich selbst ein angenehmes Leben gönnen, sobald sie wieder daheim wären. Er forderte sie auf zuzuhören, und das taten sie.
Roddam war fünfzig, übergewichtig und hatte zurückgehendes Haar. Er trug stets kurzärmlige Hemden und einen Schlips. Seine Brille hatte ein schwarzes Gestell. Er sah aus wie ein Naturwissenschaftslehrer. Roddam sagte, er sei an ein paar Informationen gekommen. Er erzählte ihnen von der Plünderung des Irakischen Nationalmuseums in Bagdad im Jahr 2003, worauf Patchett ihn unterbrach und sagte, er sei hinterher dort gewesen, was Roddam allem Anschein nach interessierte. Später nahm er Patchett beiseite und redete mit ihm, zunächst aber nahm er die Aussage einfach zur Kenntnis und fuhr mit seiner Geschichte fort. Er sprach von Gold, Statuen und uralten Siegeln. Kramer machte sich ein bisschen darüber lustig. Joe Radio, die Gerüchteküche der Army, verbreite ab und zu Geschichten über Saddams versteckte Schätze, sagte er, oder über Goldbarren, die in Gärten vergraben seien, Geschichten, die für gewöhnlich von zwielichtigen Irakern stammten, die ein paar Dollar Schmiergeld wollten und in der Dunkelheit verschwanden und nie wiedergesehen wurden, wenn jemand so dämlich war und ihnen Geld gab. Tobias forderte Kramer auf, den Mund zu halten und zuzuhören, und Kramer gehorchte.
Als Roddam mit seiner Ansprache zum Ende kam, waren sie alle überzeugt, sogar Kramer, weil Roddam so eine ruhige, ernste Art an sich hatte. Sie erklärten ihm, sie wären dabei, worauf Roddam ging, um alles in die Wege zu leiten. Sie waren ihm jetzt ergeben.
Er hatte völlig vergessen, wie es war, betrunken zu sein. Daheim hatte er von einem Sechserpack kaum einen Schwips, aber nachdem er monatelang keinen Alkohol bekommen hatte, stets einen trockenen Mund hatte und ständig überhitzt war, kam es ihm vor, als hätte er den Wochenausstoß der Coors-Brauerei intus. Am nächsten Tag tat ihm der Kopf weh, aber er konnte sich noch an das Versprechen erinnern, das man ihnen gemacht hatte. Er war nur froh, dass sie im Stryker ausrücken würden und nicht in irgendeiner nichtsnutzigen Ambulanz, selbst als er bereits Zweifel an ihrem Vorhaben hatte. Am Abend vorher, als er ein paar Bier hinter der Binde und nicht genug Essen im Bauch hatte, war er genauso Feuer und Flamme gewesen wie die anderen, aber jetzt wurde ihm allmählich klar, worum es bei dieser Sache ging. Bei einem normalen »Einsatz zur Kontaktaufnahme«, der neueren, freundlicheren Bezeichnung für »Suchen und Vernichten«, tauchten auf dem kleinen FBCB2-Bildschirm hinter der Luke des Panzerkommandeurs rote Dreiecke auf, sobald der Feind geortet war, und die Fotze mit ihrer zuckersüßen und zugleich grusligen Stimme meldete sich und gab bekannt, dass der Feind in der Nähe war, aber diesmal würden sie blind unterwegs sein.
Tobias tat so, als ginge es um eine ganz normale Patrouille – er klopfte jeden ab, um sicherzugehen, dass sie alle ein CamelBak mit Wasser, Handschuhen, Körperschutz, eine saubere, frisch eingeölte Waffe und Nachtsichtgeräte mit neuen Batterien bei sich hatten. Sie
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