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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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hatten alle die entsprechenden Überprüfungen vorgenommen und den Einsatzbefehl im Kopf, so lückenhaft er auch sein mochte. Tobias war ein Pedant, wenn es darum ging, dass jeder die ihm zugewiesene Aufgabe kannte und die dafür erforderliche Ausrüstung hatte. Roddam, der sich in seiner Kevlar-Weste sichtlich unwohl fühlte, schaute wortlos zu. Er war nervös und blickte ständig auf seine Uhr. Tobias überzeugte sich davon, dass sie Reservemunition für das 50er MG hatten, das seitlich an den Stryker geschnallt war. Bei einem Feuergefecht kam man nur schwer ran, aber woanders konnte man es nicht unterbringen, und da draußen war es besser aufgehoben, als wenn sie es gar nicht dabeihatten. Nach dem Check nahmen sie ihre ganz persönlichen Handgriffe vor, berührten ihre Orden, Kreuze, Bilder von ihren Angehörigen, achteten darauf, dass sie all die zur Routine gewordenen Tätigkeiten durchführten, die sie bislang am Leben erhalten hatten. Alle Soldaten sind abergläubisch. Das bringt der Job mit sich.
    Es war später Sonntagnachmittag, und die Sonne ging gerade unter, als sie aufbrachen. Sie hatten alle gut gegessen, denn am Sonntag gab es immer die beste Verpflegung, aber den Kaffee hatten sie weggelassen. Vor einer Razzia hatten sie genug Adrenalin im Blut. Er konnte sich noch an das Geräusch erinnern, das seine Stiefel im Staub gemacht hatten, an den Sand, der sich unter den Sohlen verklumpte, an den festen Untergrund und die Kraft in seinen Beinen, und dann an den dumpfen Hall vom Boden der Stryker, als er sich zu seinem Sitz begab. So etwas Simples, einfach einen Fuß vor den anderen setzen. All das war weg. Für immer dahin.
    Das Lagerhaus befand sich in al-Adhamiya, dem alten Viertel von Bagdad, einer sunnitischen Hochburg. Sie rollten die schmalen Gassen entlang, die für einen Hinterhalt wie geschaffen waren. Kerosinlampen brannten in den Fenstern der Häuser, an denen sie vorbeikamen, aber nicht ein Mensch war auf den Straßen. Zwei Blocks vor dem Ziel erloschen sämtliche Lichter, und nur der Halbmond über ihnen tauchte die Gebäude in einen silbernen Schimmer und hob sie von der Schwärze rundum ab.
    Die letzten dreißig Meter rückten sie zu Fuß vor. Das Lagerhaus, das moderner aussah als die umliegenden Gebäude und innen stockdunkel war, hatte zwei Eingänge: eine Tür im Süden, auf der Rückseite, und eine im Westen. Im Erdgeschoss befanden sich zwei kleine, vergitterte Fenster, die so dick mit Staub bedeckt waren, dass man nicht durch die Scheiben blicken konnte. Die Türen bestanden aus dickem Stahl, aber sie sprengten die Schlösser mit C4 auf und drangen rasch und gewaltsam ein. Durch das Nachtsichtgerät sah er Gestalten, die sich bewegten, die Waffen hoben, und als er bereits feuerte, dachte er: Irgendwas stimmt hier nicht. Wie können wir sie so überraschen. Wenn irgendwo in al-Adhamiya eine Fliege landet, erfährt es sofort die nächste Spinne.
    Einer am Boden. Zwei. Links von sich hörte er jemanden schreien: »Hab ein paar!«, eine Stimme, die er kannte und zugleich auch nicht, verzerrt vor Wut und dem Durcheinander des Kampfgetümmels. Ein Fernseher plärrte los, dessen Bildschirm ihn im Nachtsichtgerät beinahe blendete, dann explodierte er und wurde dunkel. Er hörte, wie Tobias schrie: »Feuer einstellen!«, und dann war es vorbei. Fast so schnell, wie es angefangen hatte.
    Sie durchsuchten das Gebäude und fanden keinen weiteren Hadschi. Drei waren tot, einer lag im Sterben. Tobias stand neben ihm, während die nähere Umgebung gesichert wurde, und er meinte zu hören, wie sie ein paar Worte miteinander wechselten. Die Jungs von ihrem Trupp schoben die Brillen ihrer Nachtsichtgeräte hoch, als das Licht ihrer Taschenlampen über die Wände zuckte und Kisten, Kartons und seltsame, in Leintücher gehüllte Formen erfasste. Die Pupillen des sterbenden Hadschis waren riesengroß, und er lächelte und sang leise vor sich hin.
    »Er ist high«, sagte Tobias. »Wahrscheinlich auf Artane.«
    Artane war ein Antipsychotikum zur Behandlung der Parkinson-Krankheit, aber es war auch unter den jungen Aufständischen sehr beliebt. In Bagdad gehörte es zu den Pharmazeutika, die man an Orten wie dem Babb al-Sharq bekam, dem östlichen Tor. Wer es benutzte, fühlte sich euphorisch und unverwundbar. Der Hadschi hob die Stimme zum Gebet, dann fiel ein Schuss, als Tobias ihn erledigte. Heute Abend würden die Toten weder erfasst noch in Leichensäcke gepackt und beim nächsten Polizeirevier

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