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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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hatte Sally Cleaver nicht gekannt. Aber offenbar hatte sie wenig Selbstwertgefühl und noch weniger Erwartungen, aber irgendwie hatte es Cliffie Andreas geschafft, Ersteres noch weiter zu schwächen und Letztere nicht zu erfüllen. Jedenfalls hatte Cliffie eines Abends Sallys kleine, sauer verdiente Ersparnisse gefunden und beschlossen, sich und seinen Freunden eine Nacht im Moon zu spendieren. Als Sally von der Arbeit nach Hause kam und feststellte, dass ihr Geld weg war, zog sie los und suchte Cliffie in seiner Lieblingskneipe. Sie traf ihn an der Bar an, wo er Hof hielt und auf ihre Kosten die einzige Cognacflasche des Moon leerte, und beschloss, zum ersten Mal im Leben ihre Frau zu stehen. Sie schrie ihn an, kratzte ihn, riss ihn an den Haaren, bis Earle Hanley schließlich zu Cliffie sagte, er solle seine Frau rausschaffen, seine häuslichen Probleme draußen mit ihr klären und nicht zurückkommen, bis er beides im Griff habe.
    Folglich packte Cliffie Andreas Sally Cleaver am Kragen und zerrte sie durch die Hintertür, worauf die Männer in der Bar dabei zuhörten, wie er sie in Grund und Boden schlug. Als er zurückkam, waren seine Knöchel aufgeschürft, seine Hände voller roter Flecken und sein Gesicht mit Blut gesprenkelt. Earle Hanley goss ihm einen weiteren Drink ein und huschte hinaus, um nach Sally Cleaver zu sehen. Inzwischen erstickte sie bereits an ihrem eigenen Blut und starb auf dem hinteren Parkplatz, bevor der Krankenwagen kam.
    Und das war es dann für den Blue Moon und für Cliffie Andreas. Er bekam zehn bis fünfzehn Jahre in Thomaston, saß acht ab und wurde knapp zwei Monate nach seiner Entlassung von einem »unbekannten Angreifer« getötet, der Cliffies Uhr stahl, seine Brieftasche aber nicht anrührte und die Uhr in einen Graben in der Nähe warf. Man tuschelte, dass die Cleavers ein gutes Gedächtnis hätten.
    Jetzt war Foster Jandreau nur wenige Meter von der Stelle entfernt gestorben, an der Sally Cleaver erstickt war, und wieder einmal wurde in der Asche gewordenen Geschichte des Moon herumgewühlt. Die Staatspolizei verlor nicht gern Leute, schon 1924 nicht, als Emery Gooch bei einem Motorradunfall in Mattawamkeag umkam, und erst recht nicht seit 1964, als bei einem Banküberfall in South Berwick mit Charlie Black der erste Staatspolizist durch Schüsse getötet wurde. Aber im Zusammenhang mit dem Mord an Jandreau gab es ein paar Ungereimtheiten. In der Zeitung mochte zwar behauptet worden sein, dass keine Spuren vorlagen, aber es gab auch anderweitige Gerüchte. Angeblich hatte man neben Jandreaus Auto Crackphiolen gefunden, und am Boden neben seinen Füßen waren Glassplitter entdeckt worden. Er hatte keine Drogen im Blut, aber bei der Polizei befürchtete man jetzt, dass Foster Jandreau nebenbei gedealt haben könnte, und das wäre schlecht für alle.
    Langsam leerte sich der Diner, aber ich blieb, wo ich war, bis nur noch ich am Tresen saß. Kyle ließ mich allein und sorgte dafür, dass meine Tasse voll war, bevor er mit dem Aufräumen anfing. Die letzten Stammgäste, für die eine Woche ohne mindestens zwei Besuche im Palace nichts taugte, zahlten und gingen.
    Ich habe nie ein Büro gehabt. Ich hatte nie eines gebraucht, und wenn ich eines hätte, könnte ich die Ausgaben trotz der günstigen Mieten in Portland und Scarborough nicht rechtfertigen. Nur eine Handvoll Klienten hatte sich jemals dazu geäußert, und falls jemand besonderen Wert auf Privatsphäre und Diskretion legte, konnte ich den einen oder anderen Gefallen einfordern, worauf man mir einen geeigneten Raum zur Verfügung stellte. Ab und zu benutzte ich die Kanzlei meiner Anwältin oben in Freeport, aber es gab Leute, die die Vorstellung, in eine Anwaltskanzlei zu gehen, fast genauso wenig mochten wie Anwälte im Allgemeinen; und ich hatte festgestellt, dass die meisten Menschen, die sich an mich wandten, eine etwas zwanglosere Vorgehensweise vorzogen. Normalerweise ging ich zu ihnen nach Hause und sprach dort mit ihnen, aber manchmal war ein Diner wie der Palace, leer und diskret, genauso gut. In diesem Fall war der Treffpunkt vom angehenden Klienten ausgesucht worden, nicht von mir, und ich war damit einverstanden.
    Kurz nach Mittag wurde die Tür des Palace geöffnet und ein Mann von Ende sechzig kam herein. Er sah aus wie der typische alte Yankee: Schirmmütze, eine Jacke von L. L. Bean über einem karierten Hemd, eine ordentliche blaue Denimhose und Arbeitsstiefel. Er war drahtig wie eine Stahltrosse, das

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