Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Louis. »Selbstverständlich isses tot. Was, verflucht noch mal, soll’s denn sonst sein?«
Angel schüttelte den Kopf, als hätte er es mit einem Kind zu tun, das einfach nichts begreift. »Nein, es ist erst kürzlich gestorben. Bis dahin hat’s gelebt.«
Louis starrte seinen Partner eine ganze Weile grimmig an, dann sagte er: »Weißt du, ich glaube, wir müssen die Gespräche einschränken, an denen du teilnehmen darfst.«
»Wie in einer Churrascaría«, warf ich ein. »Wir könnten ein grünes Schild hochhalten, wenn du etwas sagen darfst, und ein rotes, wenn du still dasitzen und etwas verdauen musst, was du gerade gehört hast.«
»Ich hasse euch«, sagte Angel.
»Nein, tust du nicht.«
»Doch«, bestätigte er. »Ihr respektiert mich nicht.«
»Tja, das stimmt«, räumte ich ein. »Aber andererseits haben wir auch keinen Grund dazu.«
Angel dachte darüber nach, bevor er zugab, dass ich nicht ganz unrecht hatte. Wir wechselten das Thema und kamen auf mein Geschlechtsleben zu sprechen, das uns nicht lange aufhielt, auch wenn Angel es offenbar endlos unterhaltsam fand.
»Was ist mit der Polizistin, die in den Bear gekommen ist? Diese Cagney?«
»Macy.«
»Yeah, die.«
Sharon Macy war hübsch und dunkelhaarig und hatte eindeutig Interesse bekundet, aber ich versuchte immer noch dahinterzukommen, wie ich damit umgehen sollte, dass Rachel und unsere Tochter jetzt in Vermont lebten und meine Beziehung mit Rachel tatsächlich vorbei war.
»Es war zu früh«, sagte ich.
»So was wie ›zu früh‹ gibt es nicht«, sagte Louis. »Es gibt bloß ein ›zu spät‹, und danach kommt ›tot‹.«
Drei junge Männer in weiten Jeans, zu großen T-Shirts und nagelneuen Sneakers schlappten die Congress Street entlang wie Algen auf einem Teich und steuerten die Bars an der Fore Street an. Alles an ihnen verriet, dass sie Auswärtige waren – na ja, soweit man vor Marken- oder Rappernamen überhaupt etwas sehen konnte. Einer trug, Gott bewahre, sogar ein Retro-Shirt mit der Aufschrift Black Power samt einer geballten Faust, obwohl sie alle so weiß waren, dass Pee Wee Herman im Vergleich mit ihnen wie Malcolm X wirkte.
Neben uns aßen zwei Männer Burger und kümmerten sich um ihren eigenen Kram. Einer von ihnen trug ein Regenbogendreieck am Jackenkragen und darunter einen Button mit der Aufschrift »Vote No on 1«, ein Verweis auf den Volksentscheid, mit dem die Erlaubnis zur Schwulenehe im Staat widerrufen werden sollte.
»Willste ihn heiraten?«, sagte einer der vorbeigehenden Fremden, worauf seine Freunde lachten.
Die beiden Männer versuchten weiterzuessen.
»Schwuchteln«, sagte der gleiche Typ, der sich offenbar klasse fand. Er war klein, aber muskulös. Er beugte sich vor und nahm eine Fritte vom Teller des Mannes mit dem Button, der mit einem empörten »Hey« reagierte.
»Ich ess die doch nicht, Mann«, sagte der Quälgeist. »Man kann nie wissen, was ich mir von dir einfangen könnte.«
»Weiter so, Rod!«, sagte einer seiner Freunde, worauf sie sich abklatschten.
Rod warf die Fritte auf den Boden, dann wandte er sich Angel und Louis zu, die ihn mit ausdrucksloser Miene betrachteten.
»Was glotzt ihr denn so?«, meinte Rod. »Seid ihr auch Schwuchteln?«
»Nein«, sagte Angel. »Ich bin ein getarnter Heterosexueller.«
»Und ich bin eigentlich weiß«, sagte Louis.
»Er ist wirklich weiß«, bestätigte ich. »Muss sich stundenlang schminken, bevor er das Haus verlassen kann.«
Rod wirkte verdutzt. Sein Gesicht verzog sich dementsprechend, ohne dass er sich allzu sehr anstrengen musste, folglich war es nicht das erste Mal.
»Ich bin also genau wie du«, fuhr Louis fort, »weil du eigentlich auch nicht schwarz bist. Denk mal über Folgendes nach: Die ganzen Bands auf euren Shirts tolerieren euch doch bloß, weil ihr ihnen Geld bringt. Das sind harte Jungs, die sich an Schwarze wenden und über sie reden. In einer idealen Welt würden sie euch nicht brauchen, und ihr müsstet euch wieder Coldplay, Bread und irgendwelchen anderen rührseligen Scheiß anhören, den weiße Jungs heutzutage mitbrummen. Aber vorerst nehmen die Jungs euer Geld, und wenn ihr jemals durch eine der Gegenden marschiert, aus der sie kommen, werdet ihr fertiggemacht, und jemand nimmt euch auch noch euer übriges Geld ab und vielleicht auch eure Sneakers. Wenn du willst, kann ich dir ’ne Karte zeichnen, damit ihr euch mit ihnen solidarisch erklären könnt. Ansonsten hau ab und nimm Curly und Larry mit. Geh jetzt,
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