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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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als er sich zurückziehen wollte, war er sich sicher, dass sich tief unten etwas bewegte. Ein leises Scharren drang zu ihm, und in der Dunkelheit war ein grauer Fleck, wie ein Pinselstrich auf einer schwarzen Leinwand. Er versuchte zu sprechen, um Hilfe zu rufen, doch er brachte keinen Ton heraus. Er war stumm, sprachlos, und dennoch hielt das Wesen tief unten im Aufzugsschacht inne, und er spürte, wie ihm unter seinen Blicken das Gesicht juckte.
    Leise trat er zurück, als hinter ihm die Lichter im Flur erloschen und der Weg, dem er gefolgt war, im Dunkel versank. Was spielte das schon für eine Rolle?, dachte er. Wohin sollte ich dort zurückgehen? Er sollte weitersuchen. Als er den Entschluss fasste, gingen weitere Lichter hinter ihm aus und zwangen ihn, vorwärts zu gehen, wenn er nicht in der Düsternis gefangen sein wollte, und als er loslief, drückte sich die Dunkelheit an seinen Rücken und drängte ihn weiter. Er meinte zu hören, wie sich hinter ihm etwas bewegte, doch er warf keinen Blick zurück, denn er hatte Angst, die grauen Flecken könnten konkretere Gestalt mit Zähnen und Klauen annehmen.
    Die Einrichtung des Krankenhauses wurde immer älter, als er seines Wegs ging. Die Farbe an den Wänden verblasste und blätterte ab, bis nur noch die blanken Mauern blieben. Fliesen wurden zu Holz. In den Türen war kein Glas mehr. Die Instrumente, die er in den Behandlungszimmern sah, wirkten grober und primitiver. Die Operationstische waren nur mehr Platten aus zerschrammtem, schartigem Holz, daneben standen Eimer mit stinkendem Wasser, mit dem man das Blut wegspülte. Alles, was er sah, kündete von Schmerz, der ebenso alt wie ewig war, zeugte von der Fragilität des Leibes und den Grenzen seiner Widerstandsfähigkeit.
    Schließlich kam er zu einer primitiven hölzernen Doppeltür, die offen stand. Drinnen brannte ein schwaches, flackerndes Licht. Hinter ihm rückte die Dunkelheit näher und alles, was sie barg.
    Er trat durch die Tür.
    Das Zimmer war, so weit er sehen konnte, unmöbliert. Wände und Decke lagen im Schatten, so dass er sie nicht erkennen konnte, doch er stellte sich vor, dass seine Umgebung unglaublich hoch und unermesslich breit war. Dennoch fühlte er sich eingeengt und bedrängt. Er wollte zurückgehen, diesen Raum verlassen, doch er konnte nirgendwo hin. Die Tür hinter ihm hatte sich geschlossen, und er konnte sie nicht mehr sehen. Nur ein Licht brannte: eine Sturmlampe, die auf dem Erdboden stand und in der eine schwache Flamme brannte.
    Das Licht und das, worauf es fiel.
    Zuerst dachte er, es sei eine formlose Masse, eine Ansammlung von Abfall, zu einem Haufen zusammengefegt und vergessen. Dann, als er näher kam, sah er, dass sie mit Spinnweben überzogen war, die so alt waren, dass sich eine dicke Staubschicht auf den Fäden abgelagert hatte, und eine Decke bildeten, die fast verhüllte, was darunter lag. Es war viel größer als ein Mensch, auch wenn es eine menschliche Gestalt hatte. Herod konnte die Muskeln an den Beinen und die Krümmung der Wirbelsäule erkennen, doch das Gesicht war verborgen, dicht an die Brust gedrückt, und die Arme hatte es über den Kopf geschlagen, als wollte es sich vor einem drohenden Schlag schützen.
    Dann, so als nehme sie ihn allmählich wahr, regte sich die Gestalt wie ein Insekt in seiner Puppenhülle, senkte die Arme und wandte den Kopf. Mit einem Mal drangen Worte und Bilder auf Herod ein –
    Bücher, Statuen, Zeichnungen
    (ein Kästchen)
    – und in diesem Moment wurde ihm sein Ziel klar.
    Mit einem Mal bog Herod den Rücken durch, als etwas in der Wunde an seiner Seite wühlte. Danach setzte ein heftiger Krampf ein. Er sah
    Licht
    und hörte
    Stimmen.
    Die Spinnweben vor ihm rissen auf, und ein dünner Finger mit einem spitzen, schmutzigen Nagel tauchte auf. Wieder setzte der Schock ein, diesmal länger und schmerzhafter. Seine Augen waren offen, und irgendetwas aus Plastik steckte in seinem Mund. Maskierte Gesichter waren über ihm, nur die Augen waren sichtbar. Hände fassten an sein Herz, und eine Stimme sprach leise und eindringlich zu ihm, redete von den Geheimnissen des Grabes, von Dingen, die getan werden mussten. Vor seiner Wiederauferstehung sprach sie seinen Namen und teilte ihm mit, dass sie ihn wiederfinden werde. Und er würde wissen, wenn es so weit wäre.
    Als er jetzt vom Toilettenspiegel zurücktrat, blieb das Spiegelbild dort an Ort und Stelle, eine gesichtslose, augenlose Maske, die hinter dem Glas hing, bevor sie wieder

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