Die Bruderschaft der Runen
Funken von gewöhnlichen Gesetzlosen unterscheiden. Ich weigere mich, an das Übernatürliche zu glauben, solange sich plausible Erklärungen anbieten. Bei diesen Sektierern handelt es sich um Gesetzlose, die sich eines alten Mythos bedienen, um sich mit einer Aura des Unheimlichen zu umgeben. Das ist alles.«
»Also hatte Inspector Dellard möglicherweise doch Recht?«
»Zumindest scheint er mit seinen Theorien nicht ganz falsch gelegen zu haben. Dennoch hat er sich in einer Hinsicht grundlegend geirrt.«
»Und in welcher?«
»Er hat uns nach Edinburgh geschickt, damit wir vor diesen Sektierern Ruhe haben. Allerdings scheinen sie hier ebenso ihr Unwesen zu treiben wie draußen in Galashiels. Und das ist etwas, das mich tatsächlich beunruhigt, mein Junge. Deshalb will ich meinen Beitrag dazu leisten, dass diese Leute möglichst schnell gefasst und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, ehe sie noch mehr Unheil anrichten können.«
Quentin bemerkte den Schatten, der sich auf die Züge seines Onkels legte. »Du denkst dabei an den Besuch des Königs, nicht wahr?«, fragte er vorsichtig.
Sir Walter antwortete nicht. An den mahlenden Kieferknochen und den angespannten Gesichtszügen seines Onkels konnte Quentin erkennen, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
Auch Sir Walter hegte Befürchtungen, wenngleich aus anderen Gründen als sein Neffe. Während ihn ausschließlich die realen, politischen Hintergründe des Falls beunruhigten, zerrten die Begleitumstände der Angelegenheit an Quentins Nerven. Zudem wurde der Junge das Gefühl nicht los, dass diese ganze Sache einige Nummern zu groß für sie war, und nicht einmal der Gedanke an Mary of Egton konnte ihm in diesem Augenblick Mut machen. Nicht, dass er seinem Onkel nicht allerhand zugetraut hätte – aber ihre Aussichten, den Fall auf eigene Faust zu lösen, schätzte er eher gering ein. Wie sollten sie mit den wenigen Informationen, die sie hatten, das Rätsel der Runenbruderschaft lösen? Außerdem schienen die Sektierer bereits in der Stadt zu sein, sodass es nicht nur wenig aussichtsreich, sondern auch äußerst gefährlich war, sich weiter mit der Sache zu befassen.
Quentin behielt seine Bedenken diesmal für sich; er hatte seinem Onkel versprochen, ihm bei den Ermittlungen zur Hand zu gehen, und hätte ihn niemals im Stich gelassen. Seine Hoffnungen ruhten vielmehr auf Charles Dellard, dem königlichen Inspector.
Vielleicht hatte er in der Zwischenzeit Fortschritte erzielt …
Verehrte Herren,
bereits seit einigen Wochen bin ich nun in der bekannten Angelegenheit tätig, und Sie sind es gewohnt, am Anfang jeder Woche eine Depesche von mir zu erhalten, in der ich Sie über den aktuellen Stand der Ermittlungen informiere.
Leider muss ich Sie auch dieses Mal darüber in Kenntnis setzen, dass die Ermittlungen gegen die Aufrührer, die in Galashiels und anderen Bezirken für Unruhe gesorgt haben, noch immer nur schleppend vorankommen. Bei allem, was meine Männer und ich unternehmen, ist es, als stießen wir auf eine Mauer des Schweigens, und ich kann leider nicht ausschließen, dass ein großer Teil der Landbevölkerung mit den Aufrührern sympathisiert.
Ich habe mir daher die Freiheit genommen und mit meinen Dragonern Durchsuchungen in umliegenden Dörfern durchgeführt, die im Verdacht standen, Aufrührern Unterschlupf zu gewähren. Leider musste ich dabei feststellen, dass sich die Bevölkerung in keiner Weise kooperativ verhielt, sodass ich einige Exempel statuieren musste. Zwar ist es mir dadurch gelungen, die Ordnung im Bezirk aufrechtzuerhalten, einer Lösung des Falles sind wir dadurch jedoch nicht näher gekommen, und ich befürchte, in Anbetracht der Umstände werden weitere Nachforschungen erforderlich sein, um das Rätsel, das sich um diese Aufrührer rankt, endgültig zu entwirren. Bei meiner Ehre als Offizier der Krone möchte ich Ihnen jedoch versichern, dass ich weiter alles in meiner Macht Stehende unternehmen werde, um die Gesetzlosen dingfest zu machen.
Hochachtungsvoll,
Charles Dellard
Königlicher Inspector
Charles Dellard überflog das Schriftstück noch einmal und blies dabei auf seine Unterschrift, damit die Tinte schneller trocknete. Dann faltete er das Papier, steckte es in einen Umschlag und versiegelte ihn. Anschließend rief er den Boten herein, der bereits vor der Tür seines Büros gewartet hatte.
»Sir?« Der junge Mann, der den roten Rock der Dragoner trug, nahm Haltung an.
»Corporal,
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