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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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geschickter Winkelzug; zwar durchschaute Quentin ihn, aber der Verantwortung, die er plötzlich fühlte, konnte er sich trotzdem nicht entziehen. Auch wenn der Anblick der Folianten und prall gefüllten Umschläge, die sich im Regal schier endlos aneinander reihten, ziemlich entmutigend war, gedachte er sich davon nicht einschüchtern zu lassen. Nicht jetzt, wo er auf dem besten Weg war, ein neuer Mensch zu werden …
    Während Sir Walter einzelne Bände aus dem Regal holte und sie auf die Lesetische hievte, die in der Mitte des Gewölbes aufgestellt waren, beschloss Quentin, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen. Bevor er die Suche nach der Nadel im Heuhaufen begann, wollte er zunächst einmal wissen, wie groß diese Sammlung eigentlich war. Noch immer hatte der Lichtkreis seiner Lampe das Ende des Gewölbes nicht erreicht.
    Da jeder Schritt entlang des Regals ein paar Tausend Seiten mehr bedeutete, die es zu sichten galt, wurde Quentin immer mutloser, je weiter er in das Gewölbe vordrang. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann war es nicht nur die Resignation vor der schier aussichtslosen Suche, die ihn so bedrückte. Er war sich nämlich gar nicht sicher, ob er das Schriftstück, von dem Professor Gainswick gesprochen hatte, wirklich finden wollte.
    Seit der arme Jonathan ums Leben gekommen war, waren die Dinge immer noch schlimmer geworden: das Unglück an der Brücke, der Überfall auf Abbotsford, das unheilvolle Runenzeichen – was mochte als Nächstes kommen?
    Sir Walters Entscheidung, nach Edinburgh zu gehen, hatte Quentin zunächst ein wenig beruhigt. Doch nun in finsteren Gewölben nach Hinweisen auf einen alten Geheimbund zu suchen war ganz und gar nicht das, was er sich vorgestellt hatte.
    Der Besuch bei Professor Gainswick hatte Quentins Angst geschürt. Woher dieses Gefühl kam, konnte er nicht bestimmen. Es war nicht so sehr die Furcht um Leib und Leben, die ihn bedrückte – hier in Edinburgh schienen sie vor den Nachstellungen der Bande einigermaßen sicher zu sein. Vielmehr spürte Quentin eine unbestimmte Furcht vor etwas Altem, Bösem, das die Zeiten überdauert hatte und darauf lauerte, erneut zuzuschlagen …
    Vor einem rostigen Eisengitter, dessen Tür mit einer schweren Kette verschlossen war, endete sein Weg. Das Gitter markierte jedoch nicht das Ende der Bibliothek, denn auf der anderen Seite konnte Quentin im matten Schein der Lampe weitere Schriftstücke erkennen, die in Regalen und auf Tischen aufgestapelt lagerten. Dem fingerdicken Staub nach zu schließen war die Kammer schon eine ganze Weile nicht mehr betreten worden. Als Quentin durch die Gitterstäbe leuchtete, erklang ein entsetztes Quieken, und etwas Graues mit schmutzigem Fell und langem, nacktem Schwanz stob entsetzt über den Boden davon.
    »Onkel!«, rief Quentin laut. Seine Stimme klang schaurig von den Wänden wider. »Das musst du dir ansehen!«
    Sir Walter griff nach seiner Lampe und kam den Gang herab. Verblüfft nahm er das Tor und den dahinter liegenden Raum zur Kenntnis. »Abgeschlossen«, stellte er mit Blick auf die Kette und das rostige Schloss fest.
    »Was für Schriftstücke mögen das wohl sein, die dort lagern?«, fragte Quentin.
    »Ich weiß es nicht, mein Junge, aber schon der Umstand, dass man sie von den übrigen weggesperrt hat, macht sie interessant, findest du nicht?« In den Augen seines Onkels konnte Quentin wieder das jugendliche, schalkhafte Funkeln sehen, das er gleichzeitig liebte und fürchtete.
    »Von einem verschlossenen Raum hat Professor Gainswick aber nichts gesagt«, gab er zu bedenken.
    »Und wenn schon, das hat nichts zu bedeuten. Das gesuchte Schriftstück könnte auch erst später hierher gebracht worden sein, oder nicht? Vielleicht gerade deshalb, weil sich Gainswick damit beschäftigt hat.«
    Quentin erwiderte nichts darauf, zum einen, weil eine bloße Vermutung sich nicht mit einer Gegenvermutung widerlegen ließ, und zum anderen, weil sein Onkel sich ohnehin nicht mehr umstimmen ließ, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
    Prompt brach Sir Walter seine eben erst begonnene Suche nach dem verschollenen Fragment ab, und sie gingen wieder nach oben, wo der grauhäutige Verwalter an einem Sekretär saß und Bücher katalogisierte. Sir Walter erzählte ihm von der Kammer und der verschlossenen Tür, und man konnte sehen, wie die ohnehin schon aschgraue Haut des Verwalters noch farbloser wurde.
    »Wenn es möglich ist«, schloss der Herr von Abbotsford,

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