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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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erwiderte Sir Walter. »Es gibt zu viele Widersprüche. Zu viel, das nicht zusammenpasst.«
    »Das ist auch meine Ansicht.«
    »Auch Ihre Ansicht?«, ächzte Slocombe. »Und weshalb haben Sie mir nichts davon gesagt?«
    »Weil es mir nicht zusteht, Ihr Urteil in Zweifel zu ziehen. Sie sind der Hüter des Gesetzes, John, oder nicht?«
    »Ich denke schon«, sagte der Sheriff ratlos und machte dazu ein Gesicht, das ahnen ließ, dass er sich in Gesellschaft eines gut gefüllten Glases Scotch jetzt wohler gefühlt hätte.
    »Dann glauben Sie auch, dass der arme Junge von dort oben hinuntergestoßen wurde?«, fragte Sir Walter.
    »Der Verdacht liegt nahe. Auch wenn mich der Gedanke, dass sich in diesen ehrwürdigen Mauern ein kaltblütiger Mord ereignet haben soll, mit Unruhe und Furcht erfüllt.«
    »Vielleicht war es kein Mord«, versuchte Slocombe es noch einmal. »Vielleicht war es nur ein Unglück, ein misslungener Scherz.«
    »Misslungen, in der Tat«, versetzte Sir Walter bitter und mit einem Seitenblick auf die grausam entstellte Leiche. »Haben Sie Ihre Mitbrüder befragt, Abt Andrew?«
    »Natürlich. Aber keiner von ihnen hat etwas gesehen oder gehört. Sie alle befanden sich zur fraglichen Zeit in ihren Kammern.«
    »Gibt es dafür Zeugen?«, hakte Sir Walter nach und erntete dafür einen sträflichen Blick des Mönchs. »Verzeihen Sie«, fügte er halblaut hinzu. »Ich möchte niemanden verdächtigen. Es ist nur …«
    »Ich weiß«, versicherte der Abt. »Sie fühlen sich schuldig, weil der junge Jonathan in Ihren Diensten stand. Er war in Ihrem Auftrag hier, als es geschah, und deshalb glauben Sie mitverantwortlich für seinen Tod zu sein.«
    »Kann man mir das verdenken?« Scott machte eine hilflose Geste. »Am frühen Morgen klopft ein Bote an die Tür meines Hauses und bringt mir die Nachricht, dass einer meiner Studenten tot ist. Und alles, was der zuständige Sheriff dazu liefern kann, sind ein paar fadenscheinige Erklärungen. Wie würden Sie an meiner Stelle reagieren, werter Abt?«
    »Ich würde versuchen herauszufinden, was geschehen ist«, erwiderte der Vorsteher der Kongregation offen. »Und ich würde dabei keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Betroffenen nehmen. Die Wahrheit zu ergründen hat in diesem Fall absoluten Vorrang.«
    Sir Walter nickte, dankbar für die ermutigenden Worte. In seinem Inneren herrschte Verwirrung. Lieber wäre ihm gewesen, es hätte sich eine andere Erklärung für den Vorfall finden lassen. Die Indizien ließen jedoch nur einen Schluss zu: Jonathan Milton war eines gewaltsamen Todes gestorben. Irgendwer hatte ihn über die Balustrade gestoßen, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Und es lag an seinem Lehrer, herauszufinden, wer dieser Jemand gewesen war.
    »War die Tür der Bibliothek verschlossen, als Sie Jonathan fanden?«, wollte Sir Walter wissen.
    »Allerdings«, gab der Abt bereitwillig Auskunft.
    »Es gab keine Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen?«
    »Nicht, soweit wir es beurteilen können.«
    »Gab es Spuren auf dem Boden? Hinweise, die darauf schließen lassen, dass außer Jonathan noch jemand in der Bibliothek war?«
    »Auch das nicht, soweit es sich sagen lässt. Jonathan scheint ganz allein gewesen zu sein.«
    »Das ist unheimlich«, kommentierte Sheriff Slocombe mit Verschwörerstimme. »Als ich noch ein Junge war, hat mir mein Großvater von einem ähnlichen Vorfall erzählt. Der Mörder wurde nie gefunden, der Fall nie aufgeklärt.«
    »Nun«, seufzte Sir Walter, »wir wollen es zumindest versuchen, nicht wahr? Wissen Sie, wo Jonathan zuletzt gearbeitet hat, werter Abt?«
    »Dort, an jenem Tisch.« Der Mönch deutete auf einen der massiven Eichenholztische, die die Mitte der Halle einnahmen. »Wir fanden sein Schreibzeug, aber es lag kein Buch dabei.«
    »Dann muss er hinaufgegangen sein, um es zurück an seinen Platz zu stellen«, vermutete Sir Walter. »Möglicherweise wollte er seine Studien beenden.«
    »Möglicherweise. Woran hat der junge Herr denn zuletzt gearbeitet?«
    »Er hat für einen neuen Roman recherchiert, der im späten Mittelalter spielen wird.«
    »Dort oben finden sich aber keine Schriften aus jener Zeit.«
    Sir Walter lächelte nachsichtig. »Sie wissen, dass Jonathan nicht nur in meinen Diensten Studien betrieben hat. Sein Eifer, was die Geschichtswissenschaft betraf, war sehr groß.«
    »Das ist wahr. Der junge Herr hat oft ganze Nächte damit zugebracht, nach den Geheimnissen der Vergangenheit zu forschen.

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