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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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musterte Slocombe mit eisigen Blicken, »ich denke, dass Sie sehr wohl wissen, worauf ich hinauswill. Ich schließe aus, dass es ein Unfall gewesen ist, der den armen Jonathan das Leben gekostet hat, und ich kann auch nicht glauben, dass er sich selbst das Leben genommen hat. Also bleibt nur noch eine Möglichkeit.«
    »Mord?« Der Sheriff sprach das schreckliche Wort so leise aus, dass man es kaum hörte. »Sie glauben, Ihr Schüler sei ermordet worden?«
    »Die Logik lässt keinen anderen Schluss zu«, erwiderte Sir Walter, und Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit.
    »Welche Logik? Sie haben nur Vermutungen angestellt, Sir, oder etwa nicht?«
    »Die allerdings für mich nur den einen Schluss zulassen«, sagte Sir Walter und blickte auf den leblosen Körper seines Schülers hinab. »Jonathan Milton ist heute Nacht eines gewaltsamen Todes gestorben. Jemand hat ihn von der Balustrade in den Tod gestoßen.«
    »Das kann nicht sein!«
    »Weshalb nicht, Sheriff? Weil es Ihnen Arbeit macht?«
    »Bei allem Respekt, Sir, gegen diese Unterstellung verwahre ich mich. Nachdem ich hörte, was geschehen war, bin ich ohne Zögern hierher geeilt, um die Umstände von Jonathan Miltons Tod zu klären. Ich kenne meine Pflichten.«
    »Dann erfüllen Sie sie auch, Sheriff. Für mich steht fest, dass hier ein Verbrechen verübt wurde, und ich erwarte, dass Sie alles tun, was in Ihrer Macht steht, um es aufzuklären.«
    »Aber … das kann nicht sein. Es ist einfach nicht möglich, verstehen Sie? Seit ich hier Sheriff bin, hat sich noch nie ein Mord in dieser Grafschaft ereignet.«
    »Dann sollten Sie sich bei Jonathans Mörder beschweren, dass er sich nicht an diese Regel gehalten hat«, entgegnete Sir Walter bissig. »Ich für meinen Teil werde nicht ruhen, bis ich herausgefunden habe, was wirklich hier vorgefallen ist. Wer auch immer die Schuld an Jonathan Miltons Tod trägt, wird dafür büßen.«
    Scott hatte den Flüsterton aufgegeben und in gewohnter Lautstärke gesprochen, sodass nun auch Vater Andrew aufmerksam geworden war. Der Mönch blickte zu ihnen herauf, und Sir Walter hatte das Gefühl, in seinen Zügen Verständnis zu lesen.
    »Bitte, Sir«, sagte Sheriff Slocombe, dessen Stimme jetzt einen beinahe flehenden Tonfall annahm. »Nehmen Sie Vernunft an.«
    »Ich bin nie klarer bei Verstand gewesen, mein werter Sheriff«, versicherte Sir Walter.
    »Aber was gedenken Sie jetzt zu unternehmen?«
    »Ich werde die Angelegenheit untersuchen lassen. Von jemandem, der die Wahrheit nicht so scheut wie Sie.«
    »Ich habe getan, was ich für richtig hielt«, verteidigte sich Slocombe, »und ich glaube noch immer, dass Sie sich irren. Es besteht kein Grund, die Garnison zu verständigen.«
    Sir Walter, der sich schon abgewandt hatte, um wieder nach unten zu steigen, wandte sich um. »Ist es das?«, erkundigte er sich scharf. »Ist es das, was Sie fürchten, Sheriff? Dass ich die Garnison verständigen könnte und ein Engländer hier das Kommando übernähme?«
    Der Sheriff erwiderte nichts, doch der verlegene Blick, den er auf den Boden warf, verriet ihn.
    Sir Walter seufzte. Er kannte das Problem. Die britischen Offiziere in den Garnisonen, zu deren Aufgaben es auch gehörte, den Landfrieden zu sichern und polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen, hatten die Eigenschaft, wenig kooperativ zu sein. Die Arroganz, mit der sie ihre schottischen Kollegen behandelten, war berüchtigt. Sobald sie den Fall übernahmen, hatte der Sheriff praktisch nichts mehr zu sagen.
    Während seiner Zeit als Sheriff von Selkirk hatte Scott wiederholt mit den Hauptleuten der Garnisonen zu tun gehabt. Die meisten von ihnen hassten es, in den rauen Norden versetzt worden zu sein, was die Bevölkerung nicht selten zu spüren bekam. Die Garnison zu alarmieren bedeutete, ganz Kelso ihrer Willkür auszuliefern.
    »Sie brauchen sich nicht zu sorgen, Sheriff«, sagte Sir Walter leise. »Ich habe nicht vor, die Garnison zu verständigen. Wir werden selbst herauszufinden versuchen, was dem armen Jonathan zugestoßen ist.«
    »Aber wie, Sir? Wie wollen Sie das tun?«
    »Mit scharfer Beobachtungsgabe und wachem Verstand, Sheriff.«
    Gefolgt von Slocombe, der sich verlegen die Hände rieb, stieg Sir Walter die Stufen hinab und gesellte sich zu Abt Andrew, der wie immer in sich selbst zu ruhen schien, selbst angesichts eines so schrecklichen Ereignisses.
    »Wie ich höre, teilen Sie die Theorie des Sheriffs nicht?«, erkundigte sich der Mönch.
    »Nein, werter Abt«,

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