Die Bruderschaft der Runen
zum Atmen. Etwas Bedrohliches ging von diesen Leuten aus, und jetzt, da ihr Bruder unter Maske und Robe verschwunden war und aussah wie sie, machte er ihr nicht weniger Angst als die anderen. Das also war der Grund dafür, dass er sich so verändert, dass er sich mit neuen Beratern umgeben hatte. Er war dem Einfluss dieser Bruderschaft verfallen, die dem alten, heidnischen Glauben anhing.
Unwillkürlich griff Gwynneth an das hölzerne Kreuz, das sie an einem Lederriemen um den Hals trug. Ihr Vater hatte es ihr einst geschenkt, damit es sie vor bösen Einflüssen und Versuchungen bewahren möge. Er hätte es besser Duncan gegeben.
Jetzt begann auch ihr Bruder, in jener fremden, Furcht einflößenden Sprache zu singen, die er wohl heimlich gelernt hatte. Die übrigen Vermummten fielen in seinen Gesang ein, und es ertönte eine unheimliche Melodie, die das Gewölbe in seinen Grundmauern erzittern ließ. Schließlich hob der Druide die Arme, und sofort verstummte die Menge. Auch Duncan, der dem Anführer der Bruderschaft Treue und Gehorsam versprochen hatte, schwieg augenblicklich.
»Da du nun einer von uns geworden bist, Duncan«, ergriff der Alte wieder das Wort, »sollst du teilhaben an unseren Plänen und an unserem Kampf gegen die Feinde der alten Ordnung. Unser Ziel steht fest: Wir wollen, dass die alten Götter zurückkehren und die Mönche, jene frevelhaften Vertreter der neuen Zeit, für immer vertrieben werden. Mit ihren Kreuzen haben sie unser Land entweiht, mit ihren Kirchen unsere Kultstätten entehrt. Mit den Engländern machen sie gemeinsame Sache, um unser Volk zu unterjochen. Dagegen wollen wir kämpfen, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.«
»Ich würde mein Leben opfern, um der Sache zu dienen«, versicherte Duncan.
»Erst wenn der letzte Mönch aus Schottland vertrieben ist und die Clans wieder herrschen, wird unsere Mission erfüllt sein. Die alten Götter werden zurückkehren, und die Druiden werden wieder mächtig sein, so wie es einst gewesen ist.«
»Wie es einst gewesen ist«, bestätigte Duncan voller Überzeugung, und Gwynneth überlief erneut ein Schaudern. Etwas in der Stimme ihres Bruders hatte sich verändert. Sie klang jetzt ebenso kalt und zum Äußersten entschlossen wie die des Druiden.
»Nach einer langen Zeit des Wartens«, fuhr der Anführer der Bruderschaft fort, »ist jetzt die Zeit zum Handeln gekommen. Die Runen haben mir verraten, dass die Gelegenheit nie so günstig war, um die neuen Mächte vernichtend zu schlagen und die alte Ordnung wieder zu errichten.«
»Wie, großer Druide?«, fragte einer der Anhänger.
»Wie ihr wisst, befindet sich das Land in Aufruhr. Die neue Ordnung wankt, seit William Wallace das Schwert ergriffen und die Clans im Kampf gegen die Engländer vereint hat.«
»Wie kann das sein? Ist Wallace nicht ein ergebener Anhänger der Kirche?«
»Allerdings«, bestätigte der Druide. »Vergeblich haben wir versucht, ihn auf unsere Seite zu ziehen. Er ist unnachgiebig geblieben und hat unsere Freundschaft verschmäht. Dies wird ihm nun zum Verhängnis werden. Sein Niedergang hat bereits begonnen, meine Brüder. Wallaces große Tage sind gezählt. Der Adel hat sich gegen ihn gewendet, und ein verderblicher Fluch wird sein Schicksal endgültig besiegeln.«
»Ein Fluch, mächtiger Druide?«
Der Anführer der Bruderschaft nickte. »Das Schwert eines Mannes entscheidet über Sieg oder Niederlage. So ist es von alters her gewesen. Bravehearts Klinge jedoch wird keinen Sieg mehr erringen. Mit einem Fluch werden wir sie beladen – einem Fluch, der Wallace den Untergang, uns aber die Macht bringen wird. Alte Runen, die aus den Gründertagen unserer Bruderschaft stammen, haben mir das Geheimnis verraten. Bravehearts Schwert, mit dem er den Sieg bei Sterling errungen hat, ist keine gewöhnliche Waffe. Es ist eine der Runenklingen, die einst von den Clansherren geschmiedet wurden und mit deren scharfer Schneide die Geschichte unseres Volkes über Jahrhunderte geschrieben wurde. Durchdrungen sind sie von der Kraft der Runen, die ihnen zum Sieg verhelfen kann – oder zur Niederlage.«
»Ihr wollt Bravehearts Runenklinge verfluchen, großer Druide?«
»Das werde ich. Der bittere Odem des Verrats wird an ihr haften, und es wird keine Möglichkeit geben, sie davon zu reinigen. Wallace wird fallen, sein Schicksal ist besiegelt. Die seinen werden ihn verlassen und einem anderen Führer folgen – einem, der unserer Bruderschaft und unseren Zielen
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