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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ihrem Leben einen Druiden gesehen hatte, wusste Gwynneth Ruthven sogleich, dass sie einen vor sich hatte.
    Sie hatte von den Magiern und Runenkundigen der alten Zeit gehört. Obgleich die Mönche ihre heidnischen Gebräuche verboten hatten, lebten die Druiden in den Erzählungen und Erinnerungen des Volkes fort. Immer wieder hieß es, dass es nach wie vor welche von ihnen gebe, die sich den Geboten der Kirche widersetzten und ein Leben im Verborgenen führten, dass sie sich versteckten, bis ihre Stunde gekommen sein würde und die alten Götter zurückkehrten.
    Das Gesicht des Mannes in der weißen Kutte war nicht zu sehen, aber seine Haltung und die Art, wie er sich fortbewegte, legten nahe, dass er sehr alt sein musste. Er trat zur Mitte des weiten Runds, dorthin, wo Duncan stand. Die anderen Vermummten zogen sich zurück, sodass Gwynneths Bruder jetzt allein vor den lodernden Flammen stand, die unstete Schatten auf seine nackte, blutbesudelte Haut warfen.
    Gwynn schauderte, und unwillkürlich presste sie sich noch enger an den Fels, als könnte sie so verhindern, entdeckt zu werden. Etwas in ihr drängte sie zu fliehen, aber die Sorge um ihren Bruder hielt sie zurück. Außerdem hatte sich brennende Neugier zu ihrer Sorge gesellt und bestürmte sie mit Fragen.
    Wer waren diese Vermummten? Was hatte Duncan mit ihnen zu schaffen? Und weshalb unterzog er sich dieser heidnischen Zeremonie? Hatten sie ihn dazu gezwungen, oder tat er es aus freien Stücken?
    Gwynneth erhoffte sich Antworten, während sie gebannt zusah, was weiter geschah.
    Noch immer stand Duncan reglos und mit ausgebreiteten Armen da. Der Druide trat vor ihn und murmelte unverständliche Worte, die wie eine Beschwörungsformel klangen. Dann sagte er laut und vernehmlich: »Duncan Ruthven, bist du heute hier erschienen, um deine Aufnahme in unsere geheime Bruderschaft zu erbitten?«
    »Ja«, kam die Antwort leise zurück. Duncans Augen waren glasig, seine Blicke seltsam entrückt. Er schien nicht Herr seiner selbst zu sein.
    »Wirst du alles tun, was man von dir verlangt? Wirst du alle anderen Belange hinter die der Bruderschaft stellen und fortan nur noch danach streben, ihre Macht und ihren Einfluss zu mehren?« Zuerst hatte die Stimme des Druiden leise und beschwörend geklungen. Jetzt war sie laut und fordernd geworden.
    »Ja«, erwiderte Duncan und nickte. »Mein ganzes Streben soll dem Wohl der Bruderschaft dienen, bis zum Tod und darüber hinaus.«
    »Willst du feierlich schwören, den Weisungen deines Druiden zu gehorchen?«
    »Ja.«
    »Willst du dein Leben und das nachfolgender Generationen in den Dienst der Bruderschaft stellen und es ihrem Kampf gegen die neue Ordnung weihen?«
    »Ja.«
    »Willst du weiterhin schwören, die Feinde der Bruderschaft zu bekämpfen, wer immer sie auch sein mögen?«
    »Ja.«
    »Auch wenn es sich um deinesgleichen handelt? Um dein eigen Fleisch und Blut?«
    »Ja«, versicherte Duncan und zögerte nicht einmal dabei. Gwynneth schauderte.
    »So sei es. Von diesem Augenblick an, Duncan Ruthven, bist du aufgenommen in die Bruderschaft der Runen. Dein Name und dein Stand haben von nun an keine Bedeutung mehr, denn die Runen werden jetzt dein Leben bestimmen. In der Bruderschaft wirst du Erfüllung finden. Gemeinsam werden wir die Feinde bekämpfen, die am Horizont der Zeit aufgetaucht sind, um die alten Götter hinwegzufegen.«
    »Gemeinsam«, echote Duncan und ließ sich, nackt wie er war, auf den kalten Stein nieder.
    Der Druide breitete die Arme aus und sprach erneut Formeln in der fremden, hässlichen Sprache, dann winkte er seine Gefolgsleute heran. Die Vermummten kamen mit einer schwarzen Robe, die sie Duncan überstülpten. Schließlich bekam auch er eine Maske, die aus Holz geschnitzt und über dem Feuer geschwärzt worden war. Er zog sie über und schlug die weite Kapuze der Kutte über den Kopf. Nun unterschied ihn äußerlich nichts mehr von den übrigen Vermummten.
    Gwynneth erschrak. Kalte Augen, die durch die Schlitze der Maske starrten, eine Robe aus schwarz gefärbter Wolle: Ihr Bruder hatte sich in ihrer Anwesenheit in einen dieser unheimlichen Vermummten verwandelt, und sie hatte nicht einmal versucht, es zu verhindern.
    Aber noch war es nicht zu spät.
    Sie konnte noch immer vortreten und sich zu erkennen geben, konnte Duncan bei seinem Namen rufen. Aber dazu fehlte der jungen Frau der Mut. Angst schnürte ihr die Kehle zu, legte sich wie ein eisernes Band um ihre Brust und raubte ihr fast die Luft

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