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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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einen Grund, weshalb ich hierher geflohen bin«, sagte Mary durch den Spalt. Weiter öffnen wollte sie die Tür nicht. Sie kam sich elend und schutzlos vor und schämte sich für das, was geschehen war.
    »Einen Grund? Welcher Grund könnte es wohl rechtfertigen, ein derart unreifes und kindisches Verhalten an den Tag zu legen? Weißt du, was sich die Diener über dich erzählen? Sie lachen hinter vorgehaltener Hand und sagen, dass du nicht ganz richtig im Kopf seist.«
    »Das ist mir gleichgültig«, erwiderte Mary trotzig. Eleonore wusste also nichts über die nächtliche Eskapade ihres Sohnes. Es hätte wohl auch keinen Sinn gehabt, ihr davon zu berichten. Die Herrin von Burg Ruthven hätte ihr ohnehin nicht geglaubt, und alles wäre nur noch schlimmer geworden.
    »Dir mag es gleichgültig sein, mein Kind, aber mir ist es keineswegs egal, was das Gesinde über uns denkt. Seit vielen hundert Jahren ist diese Burg der Stammsitz der Sippe, und noch nie zuvor ist es geschehen, dass jemand den Namen unserer Familie so beschmutzt hat, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Du kannst von Glück sagen, dass mein Sohn eine so sanftmütige Seele ist. Er hat sich für dich eingesetzt und deine Bestrafung verhindert, also zeige dich ihm erkenntlich. Würde es nach mir gehen, würde ich deinen Starrsinn und deinen Trotz mit anderen Mitteln zu brechen wissen.«
    »Ja«, versetzte Mary tonlos. »Malcolm ist wirklich ein Engel, nicht wahr?«
    »Ich sehe, dass bei dir jedes gut gemeinte Wort verloren ist. Offenbar habe ich mich in dir geirrt. Vielleicht hat deine Mutter auch übertrieben, als sie deine Qualitäten gepriesen hat. Jedenfalls sind Malcolm und ich übereingekommen, dass es das Beste ist, dein Leben möglichst rasch in geordnete Bahnen zu lenken und dein rebellisches Wesen zu zähmen.«
    »Was haben Sie vor?«, fragte Mary, Böses ahnend.
    »Wir haben dich in Freundschaft und Liebe in unser Haus aufgenommen, aber du hast beides frech zurückgewiesen. Trotz deiner himmelschreienden Undankbarkeit hat Malcolm jedoch eingewilligt, dich zu heiraten, und das schon in wenigen Tagen.«
    »Was?« Mary glaubte, nicht recht zu hören.
    »Mein Sohn ist mit mir der Meinung, dass du deine starrsinnige Haltung ändern wirst, wenn du erst seine Ehefrau bist und den Pflichten unterliegst, die eine solche Verbindung mit sich bringt. Als junge Herrin von Burg Ruthven wirst du lernen, Haltung zu wahren und gehorsam zu sein, wie es von dir erwartet wird.«
    »Aber …«
    »Du magst widersprechen, so lange und so oft du willst – es wird dir nichts nützen. Der Termin für die Trauung wurde bereits festgesetzt. Es wird nur eine kleine, formlose Feier werden, schließlich wollen wir uns nicht mit dir blamieren. Aber danach wirst du Mary of Ruthven und somit die Frau meines Sohnes sein. Und wenn es dir dann noch immer in den Sinn kommen sollte, gegen die Regeln und guten Sitten dieses Hauses zu verstoßen, so sollst du mich kennen lernen. Du wirst meinem Sohn eine treue und gehorsame Gattin sein, wie man es von dir erwartet. Du wirst ihm dienen und ihm als sein Weib gefügig sein. Und du wirst ihm einen Erben schenken, der die Traditionen von Ruthven bewahren und fortführen wird.«
    »Und ich werde dabei überhaupt nicht gefragt?«, erkundigte sich Mary leise.
    »Wozu? Du bist eine junge Frau von vornehmer Herkunft. Dies ist der Zweck deiner Bestimmung, auf den du dein Leben lang vorbereitet wurdest. Du kennst deine Pflichten, also erfülle sie auch.«
    Damit wandte sich Eleonore ab, ging die Treppe hinunter und verschwand hinter der engen Biegung. Mary hörte die Schritte über die Stufen verklingen, und wie in Trance schloss sie die Tür wieder und schob den Riegel vor, als könnte er sie vor dem tristen Schicksal bewahren, das sie erwartete.
    Verzweiflung griff nach ihrem Herzen. Mit dem Rücken an die Tür gelehnt, sank sie nieder und weinte hemmungslos.
    Lange hatte sie sich beherrscht, hatte ihre Tränen zurückgehalten. Aber jetzt konnte sie nicht mehr anders, als ihrer Furcht, ihrer Trauer und ihrem hilflosen Zorn freien Lauf zu lassen.
    Wie hatte Eleonore sie genannt? Eine junge Frau von vornehmer Herkunft? Warum wurde sie dann wie eine Leibeigene behandelt? Warum erniedrigte man sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit, warum brach man ihren Willen, warum hetzte man sie des Nachts durch die dunklen Korridore dieses kalten, elenden Gemäuers?
    Als Mary Egton verlassen hatte, hatte sie bezüglich ihrer Zukunft schlimme

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