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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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dessen Mauern von mächtigen Pfeilern abgestützt wurden. Seit ihrer Renovierung zeigte sich die Kirche dem Besucher wieder in ihrer alten Pracht, und Quentin war tief beeindruckt von der Fertigkeit früherer Baumeister und Handwerker. Der Kirchenraum, das Herzstück der heiligen Stätte, war einst von den Meistern von Durham errichtet worden und war einzig in seiner Art. Umlaufen wurde er von einer sechsbogigen Arkade, die von glatten zylindrischen Säulen getragen wurde.
    Quentin hielt sich gern in Kirchen auf. In seinen Augen strahlten sie eine Würde und Ruhe aus, wie sie anderswo kaum zu finden waren, als sorgte die Gegenwart höherer Mächte dafür, dass in diesen Mauern nichts Böses geschehen konnte. In Dunfermline war dieses Gefühl besonders stark; vielleicht deshalb, weil Margaret, die Stifterin des Klosters, eine Heilige gewesen war, vielleicht aber auch wegen der Bedeutung, die dieser Ort für jeden Schotten hatte.
    »Dort drüben«, flüsterte Sir Walter und zupfte Quentin am Ärmel seines Rocks. Mit demütig gesenkten Häuptern durchquerten sie das Hauptschiff und gingen zu der schmalen Treppe, die in die Krypta führte. Sir Walter schritt voraus, und sie gelangten in einen schmalen länglichen Raum, an dessen Stirnseite ein kleiner Altar errichtet war. Er war dem heiligen Andreas geweiht, dem Schutzpatron der schottischen Nation. Davor stand, umrahmt von dutzenden brennender Kerzen, der Sarkophag des Königs.
    Es war ein mächtiges hölzernes Gebilde, das gut einen Yard hoch und breit und etwa doppelt so lang war. Trotz seines beträchtlichen Alters war der Sarkophag gut erhalten; die geschnitzten Bilder und Verzierungen, mit denen er versehen war, waren noch gut zu erkennen.
    Die Deckplatte trug ein Relief, das den König zeigte, in voller Rüstung, mit seinem Schwert und dem Wappenschild des Löwen. Im flackernden Schein der Kerzen sah es fast so aus, als schliefe der Bruce nur und könnte jeden Augenblick erwachen.
    »Hier also liegt der König«, sagte Quentin mit vor Ehrfurcht bebender Stimme. »Seit einem halben Jahrtausend.«
    »Man war sich zunächst nicht sicher, ob man tatsächlich das Grab König Roberts gefunden hatte«, erläuterte Sir Walter. »Aber dann stellte man fest, dass die Brust des Leichnams geöffnet worden war, und man erinnerte sich an die Überlieferung, der zufolge es der letzte Wunsch des Bruce gewesen sei, sein Herz ins Heilige Land zu bringen. In den Quellen heißt es, der König habe sich mit einer Schuld beladen, von der er sich habe reinigen wollen. Ursprünglich hatte er selbst die Reise ins Gelobte Land antreten wollen. Als jedoch deutlich wurde, dass seine Gesundheit ihm dies nicht mehr erlauben würde, bat er seine Getreuen, ihm diesen letzten Wunsch zu erfüllen, auf dass seine Seele Ruhe finde.«
    »Was war das für eine Schuld, Onkel?«
    »Davon berichtet die Überlieferung nichts. Aber es muss etwas Schwerwiegendes gewesen sein, denn es heißt, der König habe bis zu seinem Tod daran getragen.«
    Es war Quentin anzusehen, wie sehr ihn Sir Walters Worte beeindruckten. Dennoch – und auch deswegen, weil er nicht länger als nötig in der Gruft verweilen wollte – zog er das Stück Papier hervor, dass sie bei Professor Gainswick gefunden hatten, und verglich die Zeichnung des Professors mit der Darstellung auf der Grabplatte. »Die Bilder sind identisch«, stellte er fest. »Mit einer Ausnahme.«
    »Auf der Deckplatte des Sarkophags fehlt die Rune«, stellte Sir Walter fest, ohne auch nur einen Blick auf die Zeichnung geworfen zu haben. »Ich dachte es mir bereits, denn andernfalls hätte sie mir irgendwann auffallen müssen. Andererseits …«
    Er trat vor und beugte sich über die Deckplatte, um sie genauer zu betrachten. »Eine Kerze, schnell«, raunte er Quentin zu, der sich beeilte, der Aufforderung nachzukommen. Im Schein der Flamme sah er, was seinen Onkel hatte aufmerken lassen: An der Stelle, wo sich das Runenzeichen hätte befinden sollen, war das Eichenholz abgeschliffen.
    »Denkst du auch, was ich denke, Junge?«, erkundigte sich Sir Walter.
    »Ich glaube schon, Onkel. Jemand hat das Zeichen verschwinden lassen. Fragt sich nur, aus welchem Grund.«
    »Um von sich abzulenken«, sagte Sir Walter bestimmt.
    »Du meinst, es könnten die Runenbrüder selbst gewesen sein, die das Zeichen entfernt haben?«
    »Wer sonst? Sie haben schon weit Schlimmeres getan, um ihre Spuren zu verwischen.«
    »Nun, vielleicht war es auch jemand, der die Erinnerung an

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