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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Sie an die Witwe Murray. Ihr fiel es einfacher zu glauben, ihr Mann sei vergiftet worden, als sich einzugestehen, dass er in den Armen eines Freudenmädchens ein unrühmliches Ende gefunden hatte. Und ich denke, dass Sie, Sir, um jeden Preis jemanden finden wollen, der die Schuld an Jonathans Tod trägt.«
    »Unsinn.« Scott schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht.«
    »Das hoffe ich, Sir. Denn wie Sie wissen, starb die arme Witwe Murray, ohne sich die Wahrheit jemals eingestanden zu haben.«
    »Ich weiß, mein guter Will«, erwiderte Sir Walter seufzend. »Doch Sie übersehen, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen dem Fall Murray und diesem hier. Damals gab es keinerlei Indizien, die darauf hindeuteten, dass Lester Murray an etwas anderem gestorben sein könnte als an seinem überforderten Herzen. Hier jedoch liegen die Dinge anders. Jonathan wurde mit zerschmettertem Schädel am Fuß einer Balustrade aufgefunden, von der er unmöglich von selbst gestürzt sein kann. Und nach allem, was ich über den Jungen weiß, gibt es auch keinen Hinweis auf Selbstmordgedanken. Ich bilde mir das nicht ein, Will. Es gibt Fakten, die dafür sprechen, dass Jonathan Milton nicht das Opfer eines Unfalls wurde. Es war Mord.«
    Einmal mehr war Sir Walter lauter geworden, als er beabsichtigt hatte, und ihm war klar, dass dies seinen Standpunkt nicht glaubwürdiger machte. Der Tod seines Schützlings machte ihm schwer zu schaffen, aber das bedeutete nicht, dass er sich in Hirngespinste flüchtete. Oder doch?
    Der alte Kerr betrachtete Sir Walter durch sein glotzendes optisches Auge, das er inzwischen wieder aufgesetzt hatte. Scott kam es so vor, als könnte er ihm damit bis auf den Grund seiner Seele blicken.
    »Ich verstehe Sie, Sir«, sagte der Arzt schließlich. »An Ihrer Stelle würde ich wahrscheinlich genauso empfinden.«
    »Danke, Will.«
    Kerr nickte, wandte sich dann wieder dem Leichnam zu und nahm jeden Zoll des leblosen Körpers in Augenschein.
    Endlos scheinende Minuten verstrichen, in denen sich Sir Walter an einen anderen Ort wünschte. An welchem Roman arbeitete er gerade? Was war die letzte Szene gewesen, die er geschrieben hatte? Er konnte sich nicht entsinnen. Poesie und Romantik schienen mit einem Mal weit entfernt zu sein. In William Kerrs Laboratorium war kein Platz dafür.
    »Hier«, sagte der Arzt plötzlich. »Das könnte es sein.«
    »Sie haben etwas gefunden?«
    »Nun ja … Hier an den Armen finden sich Stellen, die blutunterlaufen sind. Das könnte darauf hindeuten, dass der Junge von jemandem ziemlich hart gepackt wurde. Außerdem ist mir das hier aufgefallen. Hören Sie!«
    Mit einem wissenden Lächeln drückte der Arzt auf die Rippen des Toten. Mit einem leisen Knirschen, das Sir Walter Übelkeit bereitete, gaben sie nach.
    »Gebrochen?«, fragte er.
    »So ist es.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Dass es möglicherweise einen Kampf gegeben hat, bei dem Ihrem Schüler die Rippen gebrochen wurden.«
    »Oder«, spann Sir Walter den Gedanken weiter, »Jonathans Rippen brachen, als jemand ihn mit Gewalt über das Geländer stieß.«
    »Auch das wäre denkbar. Allerdings könnte er sich die Brüche ebenso gut beim Sturz selbst zugezogen haben.«
    »Suchen Sie weiter, Will«, forderte Scott den Doktor auf. »Je mehr Sie finden, desto eher bekommen wir Gewissheit.«
    »Das ist nicht gesagt«, widersprach der Arzt mit einem Augenzwinkern, das angesichts des Vergrößerungsglases ziemlich grotesk wirkte. »Nur selten bringt mehr Wissen auch mehr Klarheit. Oft genug ist es umgekehrt. Schon Sokrates hat das erkannt.«
    Trotz der Anspannung, unter der er stand, musste Sir Walter über den kauzigen Mediziner lächeln. Vielleicht würde William Kerr ihm tatsächlich helfen können, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Und einmal mehr enttäuschte der Arzt ihn nicht.
    »Sir?«, fragte er plötzlich.
    »Ja, Will?«
    »Welche Farbe hatte Jonathans Mantel?«
    »Nun, er war … grau, soweit ich mich erinnere«, sagte Sir Walter mit kraus gezogener Stirn. »Weshalb ist das von Belang?«
    »Nicht etwa schwarz? Aus grob gesponnener Wolle?«
    »Nein.« Sir Walter schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich mich erinnern könnte.«
    Der Doktor ließ ein triumphierendes Gelächter vernehmen. Dann griff er mit einer Pinzette zu und zog etwas unter dem Daumennagel von Jonathans rechter Hand hervor. Als er es hochhielt, sah Sir Walter, dass es sich um eine Faser handelte. Eine schwarze Wollfaser.
    »Dann«, sagte der alte

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