Die Bruderschaft der Runen
gewillt zu sein, sich damit schon zufrieden zu geben. »Das ergibt keinen Sinn«, wandte er ein. »Wenn es tatsächlich Aufständische sind, weshalb haben sie es dann auf mein Leben abgesehen? Jeder weiß, dass ich ein Gegner der Clearances bin und daraus auch vor den Regierungsvertretern nie ein Hehl gemacht habe.«
»Aber es ist auch bekannt, dass Sie mit der Krone sympathisieren, Sir. Dank Ihres Zuspruchs ist die schottische Lebensart am Hof in Mode gekommen, und der König plant einen Besuch in Edinburgh. Ganz offenbar haben Sie sich die Rebellen damit zu Feinden gemacht, ob es Ihnen gefällt oder nicht.«
»Und warum sollten aufständische Bauern eine Bibliothek niederbrennen? Man sollte meinen, dass Heimatvertriebenen mehr daran gelegen ist, ihre hungrigen Bäuche zu füllen.«
»Erwarten Sie, dass ich Ihnen erkläre, was diese Strauchdiebe im Schilde führen? Es sind Aufständische, Sir Scott, dumme Bauerntölpel, die nicht nach dem Sinn ihres Mordens fragen.«
»Diese Menschen riskieren den Galgen, Inspector. Also ist es doch nur logisch anzunehmen, dass sie einen Zweck mit ihren Taten verfolgen.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich will damit sagen, dass Ihre Theorie mich nicht überzeugt, Inspector Dellard, weil die entscheidenden Beweise fehlen. Ich hingegen habe Ihnen wiederholt Indizien und Zeugenaussagen geliefert, aber Sie haben sich nicht dafür interessiert.«
»Welche Aussagen?« Dellard streifte Quentin mit einem geringschätzigen Blick. »Den Bericht eines Jungen, der so verängstigt war, dass er sich kaum mehr richtig entsinnen kann. Und eine abenteuerliche Geschichte über irgendein altes Zeichen. Erwarten Sie, dass ich so etwas meinen Vorgesetzten präsentiere?«
»Kein Zeichen, eine Rune«, verbesserte Sir Walter. »Und trotz allem, was Sie gesagt haben, bin ich noch immer nicht davon überzeugt, dass diese Rune nicht mit dem in Verbindung steht, was hier vorgefallen ist.«
»Das steht Ihnen frei«, erwiderte Dellard, und seine Stimme klang dabei so eisig, dass Quentin fröstelte. »Ich kann Sie nicht zwingen, meinen Theorien zu folgen, obgleich ich auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung gewiss mehr Erfahrung habe als Sie und diesen Banditen schon seit langem auf der Spur bin. Wenn Sie möchten, können Sie bei der Regierung Beschwerde gegen mich einlegen. Aber bis dahin, Sir, leite ich die Ermittlungen, und ich werde mir von niemandem sagen lassen, wie ich vorzugehen habe.«
»Ich habe Ihnen meine Hilfe angeboten, das ist alles.«
»Ich brauche Ihre Hilfe nicht, Sir. Ich weiß, dass es am Hof einige Kreise gibt, die mit Ihnen sympathisieren. Aber ich gehöre nicht zu diesen Leuten. Ich bin Offizier, verstehen Sie? Ich bin hier, weil ich einen Auftrag zu erfüllen habe, und das werde ich tun. Ich werde bei diesem Bauernpack hart durchgreifen und zeigen, wer die Herren sind in diesem Land. Und Ihnen, Sir Walter, rate ich dringend, nach Abbotsford zurückzukehren und dort zu bleiben. Mehr kann – und will – ich Ihnen nicht sagen.«
»Ziehen Sie es zumindest in Betracht, einige Ihrer Leute zum Schutz von Abbotsford abzustellen?«
»Das wird nicht nötig sein. Wir sind den Übeltätern bereits auf der Spur. Nicht mehr lange, und wir haben sie in der Falle. Und jetzt wünsche ich Ihnen einen guten Tag, Sir.«
Dellard setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch und wandte sich den Unterlagen zu, die er zuvor gesichtet hatte. Seine beiden Besucher würdigte er keines Blickes mehr, gerade so, als hätten sie den Raum bereits verlassen.
Sir Walters Fäuste ballten sich, und für einen Augenblick befürchtete Quentin schon, sein Onkel könnte alle Zurückhaltung vergessen. Die Ereignisse der letzten Tage, angefangen von Jonathans Tod über den Brand in der Bibliothek bis hin zum Überfall an der Brücke, hatten Sir Walter mehr zugesetzt, als er zugeben wollte, und Quentin hatte – wenn auch widerwillig – erkennen müssen, dass selbst sein Onkel nicht ohne Furcht war.
Vielleicht war es nicht so sehr die Sorge um sein eigenes Wohlergehen, die Sir Walter den Schlaf raubte, aber er fürchtete um die Sicherheit seiner Familie und des Gesindes, das in seinen Diensten stand. Und Dellard rührte keinen Finger, um diese Ängste zu zerstreuen.
Energisch wandte sich Sir Walter ab, nahm seinen Hut und verließ das Büro des Inspectors.
»Dieser Mann verheimlicht etwas«, sagte er, kaum dass sie wieder auf der Straße standen.
»Wie meinst du das, Onkel?«, fragte Quentin.
»Ich
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